Donnerstag, 23. Oktober 2008
Der Werwolf, des Weswolfs...
Themen: Sprachen
Wenn man anfängt, Fremdsprachen zu lernen, stößt man früher oder später auf unheimlich praktische Features, die man von da an in seiner Muttersprache vermißt.

Ich beispielsweise finde die Sachen, die man im Englischen mit TAM („tense, aspect, mood“, also Tempus, Aspekt und Modus des Verbs) anstellen kann, ziemlich spannend. Da gibt es eine Menge Nuancen, die ich eigentlich gerne auch im Deutschen hätte.

Was man im Finnischen mit Verben machen kann, ist auch nicht schlecht – da kann man von einem Verbstamm ganz einfach (und fast ganz regelmäßig) Kausativ-, Reflexiv- oder Frequentativformen und sogar Kombinationen bilden. Außerdem kann man ganz einfach aus Adjektiven oder gar Postpositionen entsprechende Verben ableiten. Eins meiner Lieblingsbeispiele ist eine Form, die ich vor ein paar Monaten in einer Schlagzeile fand. In dem dazugehörigen Artikel ging es um ein Unwetter, das unter anderem den Busverkehr teilweise lahmgelegt hatte. So etwas drückt der Finne mit dem schönen Verb myöhästyttää aus, also in etwa „jemanden oder etwas dazu bringen, sich zu verspäten“ (das war das, was das Unwetter mit den Bussen gemacht hatte). Im Deutschen kriegt man das einfach nicht so kurz und knackig hin...

Und wer war noch nie in einer Situation, wo er inklusives und exklusives „wir“ hätte gebrauchen können? Diese Unterscheidung ist beispielsweise in den polynesischen Sprachen weit verbreitet, in Europa leider nicht.

Aber es gibt auch immer wieder Fälle, in denen man durch das Lernen einer Fremdsprache erst merkt, was für unheimlich praktische Features die eigene Muttersprache hat. Gestern war ein finnischer Kollege von mir schwer enttäuscht, als ich ihm erklärte, daß man im Englischen die Fragepronomina (who und so) leider nicht so einfach in den Plural setzen kann wie im Finnischen, daß man also nicht beispielsweise fragen kann „who were driving the cars?“, wenn es um mehrere Autos (und mehrere Fahrer) geht, oder „who own these houses?“, wenn man nach (vermutlich) mehreren Besitzern mehrerer Häuser fragt.

Aber wenigstens konnte ich ihn damit trösten, daß er nicht der einzige ist, der solche Formen vermißt. In dem Gedicht von Christian Morgenstern, von dem ich den Titel dieses Eintrags habe, geht es genau um dieses Problem: wenn es um mehrere Individuen geht, wie kann ich das am Fragepronomen ausdrücken? (Und der Wer-Wolf in dem Gedicht ist am Ende ganz traurig, daß er angeblich keinen Plural hat, obwohl es außer ihm doch noch andere Werwölfe gibt... Leider funktioniert das Wortspiel „Werwolf = wer? + Wolf“ im Finnischen nicht.)

Nachtrag: Ich glaube, es war Marianne Grabrucker, die in einem ihrer Bücher von einem entfernt ähnlich gelagerten Fall erzählt: Eine Bekannte von ihr ließ ihren kleinen Sohn raten, von wem ein bestimmtes Geschenk stammte. Der Kleine riet eine Weile herum, kam aber nicht auf die richtige Person. Als seine Mutter ihm verriet, daß sie das Geschenk von Tante So-und-so bekommen hatte, fiel er aus allen Wolken: wenn die zu erratende Person eine Frau ist, hätte die Mutter (seiner Meinung) doch nicht „von wem...?“ fragen müssen, sondern „von wer...?“ (analog zu von dem Mann : von der Frau)!

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