Freitag, 10. Oktober 2008
Politischer Spagat
Themen: Politik
Hier in Finnland sind Ende Oktober Kommunalwahlen. Als EU-Bürgerin mit festem Wohnsitz in Finnland darf ich auch wählen gehen. Juhu.

Hierzulande gibt man seine Stimme nicht einer Partei bzw. Liste, sondern einem Kandidaten. Das hat natürlich für uns Wähler den Vorteil, daß man statt irgendeines Spitzenkandidaten, den man vielleicht gar nicht mag, einen anderen Kandidaten wählen kann, der auf einer Liste weiter hinten (oder gar nicht) aufgetaucht wäre. (Gerade bei Kommunalwahlen kann es ja durchaus passieren, daß man einen der Kandidaten persönlich kennt und ihm auch soweit vertraut, daß man ihn gerne im Stadtrat sehen würde, obwohl man seine Partei als Ganzes eher ungern wählen würde.) Aber bei meiner ersten Kommunalwahl vor einigen Jahren war ich darauf nicht vorbereitet und erlebte eine böse Überraschung: Statt eines Wahlzettels mit einer Liste von Parteien zum Ankreuzen, wie ich es aus Deutschland gewohnt war, bekam ich ein Blatt Papier, auf dem nichts weiter zu sehen war als drei leere Felder, mit denen ich so ohne weiteres nichts anzufangen wußte. Ein Wahlhelfer klärte mich dann darüber auf, daß ich da die (dreistellige) Nummer meines Wunschkandidaten eintragen sollte.

Da hatte ich mir solche Mühe gegeben und vor der Wahl die Programme aller Parteien studiert – naja, mit meinen damaligen Finnischkenntnissen lief das darauf hinaus, daß ich mich für die einzige Partei entschied, bei deren Wahlprogramm ich am Ende das Gefühl gehabt hatte, tatsächlich verstanden zu haben, wofür oder wogegen diese Partei steht. Und jetzt durfte ich diese Partei nicht einfach ankreuzen, sondern mußte mir in der Wahlkabine aus der dort ausgehängten Liste schnell einen der vielen Kandidaten „meiner“ Partei aussuchen, dessen Name und Paßfoto einen möglichst ehrlichen und kompetenten Eindruck machten...

Diesmal wollte ich schlauer sein und mich besser vorbereiten. Eine große Tageszeitung und der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben an alle Kandidaten eine Liste mit (ihrer Meinung) wichtigen Fragen geschickt und aus den Antworten für jede Kommune jeweils eigene Entscheidungshilfe-Webseiten gestrickt. Da kann man dann dieselben Fragen beantworten wie die Kandidaten und anhand der gespeicherten Antworten denjenigen finden, dessen Meinung zu aktuellen kommunalpolitischen Themen der eigenen am ehesten entspricht.

Prima, dachte ich, so finde ich den Kandidaten, der mich am besten vertreten wird, ohne mich wieder durch ein Dutzend Parteiprogramme wühlen zu müssen.

Das Ergebnis war aber doch etwas überraschend. Daß die „großen Volksparteien“ eher nicht so gut zu mir passen, wußte ich ja schon vorher. Aber daß in meiner computererstellten Kandidaten-Top-10-Liste Kommunisten und Wahre Finnen (so ’ne Art Republikaner auf finnisch) in schönster Eintracht nebeneinanderstehen, hätte ich nicht erwartet.

Mist, jetzt weiß ich noch weniger als vorher, wen ich wählen soll...

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