Donnerstag, 5. März 2009
Nachrichten aus Finnland
Themen: Politik, Finnland, Internet
Eben kam eine Mail von einer Kollegin in Finnland, in der sie mich auf eine Online-Petition gegen die Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters hinwies. (In Finnland wird gerade überlegt, das gesetzliche Renteneintrittsalter von 63 auf 65 Jahre heraufzusetzen – was heutzutage, wo allzu viele Leute vorzeitig in Rente gehen, weil sie im Alter von 50+ einfach keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden, irgendwie lächerlich ist.)

Für diese Petition wird anscheinend ziemlich intensiv die Werbetrommel gerührt; als ich sie mir ansah, gab es schon über 12000 Unterschriften (recht beeindruckend angesichts der Einwohnerzahl von Finnland und der Tatsache, daß die meisten anderen Petitionen auf dem Server selbst nach mehreren Monaten nur auf eine zwei- oder dreistellige Unterschriftenzahl kamen), und jede Minute kamen mindestens ein Dutzend weitere hinzu.

Andererseits werde ich mich hüten, jetzt in Freudentaumel auszubrechen – schließlich hat die auf dem gleichen Server befindliche Petition für die Veranstaltung eines Tokio-Hotel-Konzerts in Finnland auch schon 2300 Unterschriften... allein aus einer hohen Unterschriftenzahl kann man also nicht auf die Wichtigkeit eines Anliegens schließen. ;-)

In other news: „Lex Nokia“ ist durch. Jetzt dürfen finnische Firmen (und Schulen und Bibliotheken und überhaupt jeder, der andere ins Internet läßt) die E-Mails ihrer Angestellten (bzw. Schüler bzw. Benutzer) kontrollieren, unter dem Vorwand, daß damit Wirtschaftsspionage verhindert werden könnte.

Nun gut – wenn ich es richtig verstanden habe, dürfen die Inhalte („Body“) der E-Mails nicht überprüft werden, sondern nur die Header-Informationen, also solche Sachen wie Absender, Empfänger, Betreff, An- oder Abwesenheit (und Typ und Größe) von Anhängen usw. Aber auch daran sind mehrere Sachen auszusetzen: erstens bekommen Arbeitgeber (und Bibliotheken und Schulen usw.) damit Ermittlungsbefugnisse, die ein gutes Stück über die der Polizei hinausgehen (was, gelinde gesagt, etwas seltsam ist, da die Verhinderung bzw. Aufklärung von Wirtschaftsspionage doch eher zum Aufgabenbereich des Staates als zu dem einzelner Firmen gehört, und die finnische Polizeigewerkschaft zeigt sich verständlicherweise empört); und zweitens ist das Überprüfen von E-Mail-Headern keine besonders geeignete Schutzmaßnahme gegen Wirtschaftsspionage (wenn ich geheime Unterlagen, zu denen ich bei Firma A Zugang habe, an die Konkurrenzfirma B verschachern will, gibt es wirklich bessere Methoden, als über meinen Firmen-E-Mail-Account bei A eine Datei „geheime_dokumente.zip“ an kontaktperson@konkurrenzfirma-b.com zu verschicken).

<grummel>

Was mich am meisten aufregt: Als sich das Gesetz in der Planungsphase befand, wurden mehrere Rechtsexperten um ihre Meinung gebeten, und die kamen alle (in seltener Einhelligkeit) zu dem Ergebnis, daß das Gesetz aus verfassungsrechtlicher Sicht mindestens bedenklich oder sogar verfassungswidrig ist. Und was für Äußerungen kamen daraufhin von den Politikern? Der Gesetzentwurf sei „sinnvoll“, „wichtig“, „zu begrüßen“ usw. usf.

Bis jetzt war ich ja der Meinung, daß finnische Politiker im Durchschnitt vertrauenswürdiger wären als deutsche, aber das ist anscheinend alles relativ. :-(

Zurück zum Thema Petitionen: Es gibt auch eine Petition, in der gefordert wird, daß alle Parlamentarier grundlegende Computerkenntnisse („Computer-Führerschein“) nachweisen müssen und in der als Begründung unter anderem eben dieses Gesetz (bzw. zu dem Zeitpunkt, als die Petition geschrieben wurde: dieser Gesetzentwurf) als Beispiel genannt wird. Die habe ich gleich mal mitunterschrieben... vielleicht bringt’s ja was...

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