Sonntag, 8. August 2010
Neue Webtechnik
Themen: Handarbeit
Dieses hübsche Band:

[Bild: einfaches aus grün-weiß-roter Wolle gewebtes Band]

... habe ich eigentlich schon am Freitagabend gewebt, komme aber erst jetzt dazu, etwas dazu zu schreiben.

Genau wie meine aus vier Strängen geflochtene Schnur stammt die Idee aus Jacqui Careys Buch. Aber dieses Band ist im Vergleich zu den Sachen, die ich sonst so webe, eher primitiv. Es hat nur drei Kettfäden, und daher braucht man auch keinen wie auch immer gearteten Webrahmen oder Webrahmenersatz (z. B. Webbrettchen). Nein, man knotet die Kettfäden einfach irgendwo fest und hält die freien Enden entweder in der einen Hand oder knotet sie irgendwo anders fest – wichtig ist nur, daß die Kettfäden beim Weben gespannt sind. Dann zieht man den Schußfaden wie gewohnt obendrüber-untendurch-obendrüber-untendurch hin und her. Bei nur drei Kettfäden ist es ganz leicht, den mittleren mit dem Zeigefinger abwechselnd über und unter die anderen beiden zu heben, damit man das Schiffchen durchziehen kann. Und am Ende hat man ein Band.

Wie das funktioniert, kann man auf diesem Bild hoffentlich gut erkennen:

[Bild: einfaches gewebtes Band mit Schiffchen]

Bei dem Garn handelt es sich mal wieder um ganz normales Strickgarn (diesmal eine Woll-Polyamid-Mischung). Da das Garn eher dünn war, habe ich es für den Schußfaden dreifach genommen. Das Schiffchen auf dem Foto ist übrigens einer dieser Plastikklöppel von neulich.

Und ja, ich mag Garne, die zwischen mehreren Farben hin- und herwechseln. Wieso fragt ihr? <unschuldigguck> (Das Garn in diesem Band stammt ganz ehrlich alles vom selben Knäuel! Das Garn wechselt zwischen Weiß und je zwei verschiedenen Rot- und Grüntönen. Die roten Strecken sind etwas (viel) länger, die weißen und grünen kürzer.)

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Positive und negative Gedanken
Themen: Neuro-Psycho
Aus aktuellem Anlaß:

Eine Freundin sagte mir neulich, daß sie es klasse findet, wie ich es trotz allem immer wieder schaffe, die schönen Sachen in meinem Leben zu sehen bzw. zu finden. Also obwohl ich ja eigentlich klinisch depressiv bin und außerdem eine generalisierte Angststörung habe... das ist die Krankheit, bei der man ganz mühelos in der Lage ist, vor wirklich allem Angst zu haben, sogar vor dem eigenen Schatten...

Also habe ich beschlossen, darüber mal ein paar Worte zu schreiben. Und zwar einerseits für die anderen Leute in meinem Bekanntenkreis, die womöglich dasselbe denken, es mir aber noch nicht gesagt haben, und andererseits für alle, die hier womöglich sonst noch mitlesen und sich wundern, wie jemand einerseits behaupten kann, klinisch depressiv zu sein, und andererseits über solche banalen Sachen wie zufällig in der Firmenküche gefundene Krabbenchips oder Umhängetaschen mit Igelmotiv in Freudentaumel ausbrechen kann.

Hmm, wo soll ich anfangen...?

Erstens habe ich ja nicht nur meine Depression und meine Angstneurose, sondern auch noch ein paar andere Sachen, die mir paradoxerweise helfen, damit umzugehen.

Mein ADHS macht mich leicht ablenkbar; das heißt, manchmal verfalle ich allein deswegen nicht in tiefe Depressionen, weil z. B. eine Fliege vorbeifliegt und mich ablenkt, und dann kommen interessante Geräusche aus der Nachbarwohnung und lenken mich ab, und dann muß ich aufs Klo, und dabei bemerke ich, daß die Seife im Bad fast alle ist, und gehe rüber in die Küche, wo ich meinen Einkaufszettel aufbewahre, und in der Küche merke ich dann, daß ich auf dem langen Weg aus dem Bad (über 5 m zu Fuß!) vergessen habe, was ich eigentlich in der Küche wollte, und beschließe, mir stattdessen ein Glas Milch einzuschenken und ein wenig Geschirr zu spülen, usw. usf., und mit all dem habe ich dann mit etwas Glück soviel Zeit verplempert, daß es der beginnenden Depression langweilig wurde und sie sich verflüchtigt hat. Mit noch etwas mehr Glück schaffe ich es sogar, das Glas Milch nicht auf dem Küchentisch zu vergessen...

Und mein Asperger (OK, ohne offizielle Diagnose müßte ich eigentlich sagen: meine autistischen Züge) hindert mich daran, bestimmte Sachen, über die sich andere Leute grämen können, überhaupt wahrzunehmen – beispielsweise kann ich andere Leute und ihre Motivationen extrem schwer einschätzen, was mir zwar oft genug mein Leben schwerer macht, als es sein könnte, aber andererseits gehen solche Informationen wie „Kollege X und Kollege Y haben sich anscheinend verkracht und bemühen sich jetzt angestrengt, das niemanden merken zu lassen“ (und die für die meisten „normalen“ Leute darauf folgenden Überlegungen, was zwischen denen wohl vorgefallen sein mag, und Anstrengungen, sich seinerseits nicht anmerken zu lassen, daß man die dicke Luft zwischen den beiden bemerkt hat) an mir meist völlig vorbei.

(Ja, das meine ich alles ernst. Ablenkbarkeit und Nicht-Mitbekommen relevanter sozialer Informationen machen einem zwar, wie gesagt, das Leben nicht unbedingt immer leichter, aber andererseits können sie manchmal erstaunlich nützlich sein. Man bekommt zwar immer wieder irgend etwas auf die eine oder andere Weise Wichtiges nicht mit, aber andererseits bekommt man auch immer wieder irgend etwas nicht mit, worüber man sich sonst unnötig aufgeregt oder Sorgen gemacht hätte.)

Zweitens habe ich meine diversen Syndrome ja auch schon etwas länger (die Diagnosen kamen so nach und nach um das Jahr 2000 herum, waren aber eigentlich nur offizielle Bestätigungen von Sachen, die ich teils schon jahrelang, teils sogar schon mein ganzes Leben lang – oder zumindest solange ich zurückdenken kann – gehabt hatte) und hatte daher mehr als genug Zeit, um zu lernen, damit umzugehen. Beispielsweise habe ich irgendwann gemerkt, daß eine Depression nicht unbedingt bedeutet, daß man immer nur traurig in der Gegend herumsitzt. Nein, das Ganze hat auch positive Aspekte – man muß sie nur wahrnehmen.

Anscheinend gibt es zwei Grundtypen von Depression bzw. depressiver Episode: einen, bei dem man kaum oder gar keine Gefühlsregungen hat, und einen, bei dem man in tiefer Traurigkeit versinkt – also eine extreme, leider aber extrem negative, Gefühlsregung. Ich habe irgendwann gemerkt, daß die tiefe Traurigkeit nicht etwa bedeutet, daß ich „ein trauriger Mensch“ wäre oder so; nein, ich kann tiefe Traurigkeit empfinden, weil ich grundsätzlich tiefe Gefühlsregungen empfinden kann. Tiefe Freude kann ich nämlich auch empfinden. Und ich habe mir angewöhnt, auf die ganz bewußt zu achten, damit ich mich in den depressiven Phasen daran erinnern kann, daß es neben dieser blöden Dunkelheit auch noch Licht und eine Menge tolle Farben gibt. („Tiefe Freude“, seltsamer Ausdruck, ich weiß. Aber auf die Schnelle fällt mir nichts Besseres ein, oder zumindest nichts, was neben „tiefe Traurigkeit“ gut klingen würde.)

Die Variante, bei der man überhaupt keine oder nur ganz winzige Gefühlsregungen hat, ist ebenfalls unangenehm, wenn auch natürlich auf eine völlig andere Weise als so eine tiefe Traurigkeit. Der Vorteil bei so einer Abwesenheit von Gefühlsregungen ist: Man empfindet dabei auch keine starken negativen Gefühle. (Für mich als Angstneurotikerin heißt das vor allem: wenn ich depressiv bin, rege ich mich wenigstens über so gut wie nichts auf.)

Und drittens kenne ich einige nette Leute, die mich immer wieder aufmuntern. Einige von denen lesen hier sogar mit. :-)

Das Lustige ist, daß ich oft von jemandem aufgemuntert werde, der noch gar nicht weiß, daß ich das gerade zu diesem Zeitpunkt brauche. Daß also beispielsweise eine Mail von jemandem eintrifft, den ich mag, und zwar zufällig gerade zu einem Zeitpunkt, an dem es mir schlecht geht, aber bevor ich Gelegenheit hatte, das irgend jemandem (oder gar dem Absender der Mail) zu erzählen. Oder daß ich mit einer schwarzen Gewitterwolke über dem Kopf das Haus verlasse, beispielsweise um den Müll wegzubringen, und dabei zufällig der einen Nachbarin über den Weg laufe, die mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zuquatscht (ich muß die Frau irgendwann mal fragen, ob sie wirklich sicher ist, daß sie Finnin ist, denn die sind ja normalerweise eher schweigsam), und die mich daraufhin so intensiv zuquatscht, daß die Gewitterwolke die Flucht ergreift.

Ich habe eine Freundin, mit der ich öfters per SMS kommuniziere. Manchmal schickt sie mir eine ganz kurze SMS, die womöglich nur aus einem Smilie besteht – beispielsweise zum Abschluß einer Konversation oder als Nachtrag, um mir mitzuteilen: die Sache, von der ich dir erzählt habe, ist gut gelaufen. Diese Mini-SMSe hebe ich mir nach Möglichkeit auf, damit ich sie bei Bedarf (also wenn ich irgendwie schlecht drauf bin) noch einmal ansehen und mich dann hoffentlich besser fühlen kann.

Viertens habe ich dank jahrelanger Therapie meine Depression und meine Ängste recht gut im Griff. Antidepressiva habe ich in meinem ganzen Leben erst dreimal genommen:
  • Das erste Mal, als die Depression gerade diagnostiziert worden war und mein damaliger Hausarzt mit mir ausprobierte, ob ich auf Medikamente anspreche und, falls ja, auf welche. (Wie sich herausstellte, gehöre ich zu den Leuten, bei denen Antidepressiva der üblichen Typen so gut wie gar keine Wirkung zeigen. Und bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, mir Johanniskraut zu empfehlen: habe ich schon ausprobiert und nach mehreren absolut ergebnislosen Monaten wieder abgesetzt.)
  • Das zweite Mal, als ich vor fast zwei Jahren eine sogenannte komplexe Trauerreaktion hatte, die mit wirklich ekligen Symptomen einherging, gegen die ich dann einen Monat lang ein eklig teures Medikament mit ekligen Nebenwirkungen nehmen mußte. (Wenn ich diese Symptome irgendwann noch einmal bekomme, werde ich lieber eine intensive Psychotherapie machen und dafür auf die Medikamente dankend verzichten. Die Psychotherapie würde zwar noch ekliger teurer, aber da ich ohne die Medikamente auch keine ekligen Nebenwirkungen hätte, würde sich das wirklich lohnen.)
  • Das dritte Mal war eigentlich zeitlich vor dem zweiten Mal. Und zwar hatte ich Schlafstörungen und bekam ein mildes Beruhigungsmittel verschrieben, das „offiziell“ eigentlich ein Antidepressivum ist, das als Nebenwirkung Schläfrigkeit hat. Wenn man es in einer deutlich geringeren Dosis und immer abends vor dem Schlafengehen nimmt, verwandelt es sich sozusagen magisch in ein Beruhigungsmittel, das einem beim Einschlafen hilft (aber kein Schlafmittel im eigentlichen Sinne). Das Zeug hatte auf meine Depression nicht die geringsten Auswirkungen (natürlich nicht, bei der Dosierung), auf meinen Schlaf dafür um so deutlichere. Und zwar erfreuliche.
Und Anxiolytika? Naja, das ist so eine Sache... Ich habe ja eine generalisierte Angststörung, das heißt, ich habe eigentlich jeden Tag vor irgend etwas Angst und müßte deshalb, wenn ich das mit Medikamenten behandeln wollte, ein Medikament finden, das man über längere Zeit hinweg täglich nehmen kann. Dummerweise fällt damit die eine Wirkstoffgruppe, auf die ich nachgewiesenermaßen gut anspreche, weg. Das Zeugs sollte man nämlich auf keinen Fall länger als ein paar Wochen lang einnehmen, jedenfalls nicht täglich. (Mein Arzt hat es mir dennoch verschrieben, aber ausdrücklich nicht zum täglichen Gebrauch, sondern für Notfälle. Bei mir sieht das dann so aus, daß ich in einem normalen Monat ungefähr eine Tablette verbrauche (Stichwort PMS) und in einem schlimmen Monat eine Phase habe, in der ich an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen je eine Tablette nehme – oder an einem einzigen Tag mehrere –, dafür danach dann aber wieder wochenlang gar keine brauche. Das hat die erfreuliche Nebenwirkung, daß ich größenordnungsmäßig eine Packung pro Jahr verbrauche.)

Glücklicherweise hat sich herausgestellt, daß die Stimulantien, die man als Mensch mit ADHS so zu sich nimmt, auch gegen Angst wirken. Oder zumindest gegen meine. (Ich habe schon seit längerer Zeit die Vermutung, daß meine Angstneurose eigentlich nur etwas ist, was sich mein hyperaktives und zur Langeweile neigendes ADHSler-Hirn sozusagen „gebastelt“ hat, um der Langeweile vorzubeugen. Diese Vermutung wird von der Beobachtung gestützt, daß meine Ängste deutlich abnahmen, sobald ich mit einer halbwegs zielgerichteten ADHS-Therapie – Methylphenidat plus explizit auf ADHS ausgerichtete Psychotherapie – anfing, während sie sich von der vorangegangenen eher auf typische Angstneurosen mit komorbider Depression (oder umgekehrt) ausgerichteten Therapie nicht im geringsten beeindruckt gezeigt hatten. Inzwischen langt als Stimulans an weniger stressigen Tagen, z. B. am Wochenende, auch eine große Tasse Grüntee zum Frühstück.)

Und sobald meine Therapeutin merkte, daß ich auf Antidepressiva eher nicht so sehr anspreche und die Depression auch keinerlei Anstalten machte, von selber wieder zu verschwinden, hat sie die Therapie dahingehend ausgerichtet, daß ich lernen sollte, mit der Depression zu leben. So habe ich über die Jahre einiges Nützliche gelernt. Unter anderem das Finden und Wahrnehmen von positiven Sachen. :-)

(Und ich habe gelernt, zu akzeptieren, daß ich anscheinend eine eher traurige Grundhaltung habe. Na und? Dann bin ich halt Bernd das Brot und nicht Chili das Schaf...)

Fünftens gehörte zu dieser Therapie (wie schon angedeutet) unter anderem, daß ich aufpaßte, was mir Freude macht – und was mir womöglich soviel Freude macht, daß ich mich damit sozusagen an meinen eigenen Haaren (wie Münchhausen aus dem Sumpf) aus einer beginnenden Depression hinausziehen kann. Und daß ich darauf achtete, von diesen Sachen immer wenigstens ein paar bei der Hand zu haben. (Das ist der „Werkzeugkasten“, den ich neulich erwähnt habe!)

Also habe ich zu Hause eine ganze Sammlung von CDs und DVDs mit Musik und Filmen, die mich irgendwie erfreuen. Und ich habe in der Küche einige Nahrungsmittel, die sich auf meine Stimmung irgendwie positiv auswirken. (Mal ganz davon abgesehen, daß ich darauf achte, immer genügend Flüssigkeit zu mir zu nehmen. Ein Bekannter eines Bekannten hat seine Depression dadurch überwunden, daß er sich angewöhnt hat, jeden Tag mindestens vier Liter Wasser zu trinken. Bei mir funktioniert das leider nicht, aber ich kann immerhin meine Stimmung drastisch verbessern, indem ich mich einfach immer hinreichend stark hydriere.) Und ich habe eine Menge Bücher, die mich in verschiedenen negativen Stimmungslagen irgendwie aufheitern oder sonstwie erfreuen. Und da, wo ich wohne, gibt es eine Menge schöne Spazierwege. Undsoweiter.

So bin ich also nicht darauf angewiesen, daß mir das Leben bzw. das Universum irgend etwas vorlegt, was mich irgendwie erfreut, sondern ich kann mir selber eine Freude bereiten, wenn ich mal eine brauche. Gut, manchmal ist die negative Stimmung soweit fortgeschritten, daß ich nicht mehr selber darauf komme, sondern einen Schubser brauche; z. B. einen Anruf von einem Freund, der mir dann sagt: koch dir doch eine Tasse Tee oder hör schöne Musik oder geh spazieren oder... Und natürlich passiert das in den seltensten Fällen, daß zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt jemand anruft, der mir so einen guten Rat geben kann. Aber über die Jahre hat es sich ergeben, daß ich in meiner Wohnung erstens lauter kleine Hinweise auf solche Sachen herumliegen habe, die mich erfreuen könnten (da schweift mein depressiver Blick ziellos in der Gegend herum und bleibt z. B. an einem DVD-Box-Set hängen, bis mein Gehirn merkt, daß ich die Dinger ja eigentlich auch mal wieder angucken könnte), und zweitens diejenigen Sachen, die ich auch im normalen (also nicht-depressiven) Alltag brauche, immer griffbereit habe – zum Beispiel eine große Flasche Wasser oder Saft. Wie gesagt, wenn ich mich immer gut mit Flüssigkeit versorge, ist das schon mal ein solides Fundament für eine halbwegs gute Stimmung.

Sechstens: Ich weiß ganz genau, wer ich bin. Die meisten Menschen wissen das von sich nicht. Aber die meisten Menschen waren auch noch nie gezwungen, sich selbst ganz genau anzuschauen und dabei auch in die tiefen Abgründe in ihrem Innern zu sehen, weil die meisten Menschen halt weder Depression noch Angstneurose haben. Aber diese detaillierte Selbst-Kenntnis hilft mir sehr dabei, mit mir selbst und der Welt und dem Leben an sich klarzukommen. Ich habe beim Mich-Selbst-Erforschen ja auch nicht nur dunkle Abgründe gefunden, sondern auch (sozusagen) vergrabene Schätze. Und so kann man paradoxerweise sagen: Meine Depression hat mich zum Glücklicher-Werden gezwungen. Natürlich bin ich nicht ständig glücklich, aber das sind Nicht-Depressive ja auch nicht. (Es sei denn, sie haben eine unipolare Manie!)

Manchmal fühle ich mich ein bißchen wie Sara, die eine der beiden Orakel-Schwestern in American Dragon; das ist diejenige, die immer nur schlimme Sachen voraussieht und dennoch immer blendend gelaunt ist. Ihre Schwester Kara sieht immer nur gute Sachen voraus und ist immer schlecht gelaunt. Die beiden erklären das so: Kara ist immer griesgrämig, weil ihr Alltag im Vergleich zu all den tollen Sachen in ihren Visionen doch arg unbefriedigend ist. Sara dagegen vergleicht ihren Alltag (der mit dem von Kara mehr oder weniger identisch ist) mit den gräßlichen Sachen in ihren Visionen, und der Vergleich fällt natürlich sehr positiv aus, und deshalb ist sie immer fröhlich.

Siebtens: Vorbilder. Meine Mutter war ein großer Fan von Paul Gerhardt, von dem eine ganze Menge auch heute noch gesungene Lieder (vor allem Kirchenlieder) stammen; unter anderem „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“. Das muß man sich mal vorstellen: Der Mann lebte in einer postapokalyptischen Landschaft (Europa während und kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem ja ganze Dörfer ausgelöscht wurden) und schrieb Gedichte über die Schönheit von Tulpen... Solche und ähnliche Gedanken haben mir schon durch so manche depressive Phase geholfen und mich auch angeregt, selber mal zu versuchen, in meiner „postapokalyptischen Landschaft“ meine eigenen „schönen Tulpen“ zu finden.

(Wenn wir schon mal bei christlicher Dichtung sind, kann ich auch noch meine Bibel herauskramen: Wenn die Autorenzuordnung bei den Psalmen akkurat ist, dann kann ich mich außer an den Liedern und Gedichten von Paul Gerhardt auch daran trösten, daß der offenbar tief depressive Mensch, der den 69. Psalm geschrieben hat (die ersten paar Verse enthalten eine blumige, aber sehr treffende Beschreibung einiger typischer Depressionssymptome), derselbe war, der auch den 23. Psalm („Der Herr ist mein Hirte“) geschrieben hat.)

Und last but not least: Ich bin Meisterin im Verdrängen. ;-) Das schiebe ich wieder auf das gute alte ADHS... Wenn man hinreichend schnell von hinreichend vielen Sachen abgelenkt wird, fällt das, woran man ursprünglich dachte, irgendwann aus dem Arbeitsspeicher hinaus. Das ist oft natürlich (gelinde gesagt) nicht so furchtbar wünschenswert; aber wenn das, woran man ursprünglich dachte, hinreichend nervig (oder furchterregend oder deprimierend) ist, kann es echt praktisch sein...

Aber das habe ich ja schon oben unter „Erstens“ erwähnt. Soviel zum Thema Ablenkbarkeit... m(

Nachtrag: Das kryptische Knoddelzeichen am Ende des letzten Absatzes ist ein Smilie, das sich frustriert mit der Hand auf die Stirn haut.

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Mehrwertsteuer
Themen: Finnland
Neulich hat sich hierzulande anscheinend die Mehrwertsteuer geändert.

Davon hätte ich eigentlich kaum etwas mitbekommen, da die Sachen, für die ich am meisten bzw. am öftesten Geld ausgebe (Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs), zu einer Steuerklasse gehören, wo sich nichts geändert hat.

Allerdings bekam ich von meinem Provider schon im Vorfeld einen Brief, in dem ich darauf hingewiesen wurde, daß sich wegen der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung leider die Preise für Telefonie und Internet erhöhen würden.

In meinem Fall heißt das konkret: Statt wie früher 14,90 Euro im Monat zahle ich für meinen Internetzugang (plus vom Provider gemietetes Modem) jetzt grandiose 14,92 Euro.

Oh Schreck. ZWEI GANZE CENT. ;-)

Dafür schreiben die mir extra einen Brief? Gut, natürlich sind sie verpflichtet, mich über Preisänderungen rechtzeitig zu informieren. Aber zwei Cent? Das ist so ein Kleckerbetrag, daß es dafür hierzulande nicht einmal eine eigene Münze gibt. (Es gibt zwar finnische Euromünzen mit den üblichen Nennwerten, also von 1 Cent bis 2 Euro, aber die Einerlis und Zweierlis werden nicht verwendet. Ich habe ein paar Rollen von den Dingern im Bankschließfach liegen, nur für den rein hypothetischen Fall, daß die irgendwann etwas mehr als 1 bzw. 2 Cent pro Münze wert sind... Beim Einkaufen läuft es so, daß man den genauen Betrag zahlt, wenn man irgendwie bargeldlos zahlt (Bankkarte, Überweisung, Kreditkarte), und beim Barzahlen auf den nächsten Fünfer gerundet wird – daß man also ein bis zwei Cent mehr oder auch weniger berechnet, damit der Kunde einen auf 0 oder auf 5 endenden Betrag zahlen kann, denn noch kleinere Münzen hat ja weder der Kunde im Geldbeutel noch der Kassierer in der Kasse.)

Als ich letzte Woche bei der Post war, um Briefmarken zu kaufen, stellte ich zu meinem großen Erstaunen fest, daß die – anscheinend im Zuge derselben Steuer-Veränderungs-Maßnahme – billiger geworden sind. (Ich glaube, sie haben Briefmarken von einer Kategorie in eine andere verschoben und deshalb wird da jetzt nicht ein veränderter, sondern ein völlig anderer Steuersatz fällig, oder so etwas Ähnliches.) Na sowas. Auf einmal zahle ich für einen Brief, der früher eine 80-Cent-Marke brauchte, nur noch 75 Cent.

Dann kann ich mir jetzt von dem Geld, das ich bei zweimal Briefverschicken spare, 5 Monate teureres Internet leisten... <freu>

(Wobei ich jetzt noch darauf hinweisen möchte, daß bei der Konkurrenz das Internet-Paket, das am ehesten dem entspricht, das ich habe, schon vor der Mehrwertsteuererhöhung 14,95 Euro kostete. Aber nicht daß jetzt jemand auf die Idee kommt, ich wäre nur deshalb bei Saunalahti, weil ich da im Vergleich zur Konkurrenz 5 Cent im Monat spare; nein, die beiden Hauptgründe waren: (1) Bei denen bzw. deren Muttergesellschaft bin ich wegen meines Festnetzvertrages sowieso schon Kundin, und (2) über deren Modem habe ich sehr schnell im Internet herausgefunden, daß es mit Linux funktioniert, über das der Konkurrenz weiß ich’s heute immer noch nicht. Normalerweise sind solche einstelligen Centbeträge bei meinen Kaufentscheidungen eher irrelevant, aber wenn gleichzeitig die eine Sache teurer und die andere dafür billiger wird, ist das ja schon lustig.)

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Posttherapie
Themen: Neuro-Psycho, Postcrossing
Muß ich schnell zum Patent anmelden, bevor’s ein anderer tut.

Seit ich Mitglied bei Postcrossing bin, also innerhalb der letzten paar Wochen, hat sich meine Einstellung zum Post-Bekommen grundlegend geändert.

Früher hat es mir immer etwas gegraut, wenn ich den Briefträger die Treppe heraufkommen hörte. (In finnischen Mehrfamilienhäusern mit nicht allzu vielen Stockwerken – unser Haus hat derer drei – gibt es keine Briefkästen in der traditionellen Kastenform, sondern die Wohnungstüren haben Briefschlitze.) Oder wenn ich (falls ich zu der betreffenden Uhrzeit – früher Nachmittag – nicht daheim war) beim Heimkommen die Tür aufsperrte und mich fragte, was mich heute wohl erwartete.

Denn ich bekam eigentlich nur zwei Arten von Post:
  1. Werbesendungen. (OK, die sind nicht unbedingt negativ, aber auch nicht unbedingt etwas, worauf ich mich jeden Tag freuen könnte: Juhu, im Bauhaus gibt’s Rasenmäher im Angebot! Oder: Juhu, schon wieder ein neuer Pizzaservice in unserem Viertel, die schon vorhandenen siebenunddreißig schaffen es ja nicht alleine, uns ordentlich zu füttern! – Oder wie man sich solche Freude sonst vorstellen sollte.)
  2. „Offizielles“; also Rechnungen, Post von Ämtern und so weiter. Das waren die Sachen, vor denen ich mich richtig gruselte (und immer noch grusele). Vor den Rechnungen inzwischen nicht mehr so sehr wie früher, da ich durch langjährige Erfahrung gelernt habe, daß die Rechnungen, die ich üblicherweise bekomme, entweder über einen Fixbetrag (Internetanschluß, Versicherungen) oder zumindest einen mir schon vorher bekannten Betrag gehen (Bestellungen z. B. bei Amazon) oder über einen zwar ständig etwas wechselnden, aber immer relativ niedrigen Betrag (Telefon, Strom). Briefe von Ämtern jagen mir allerdings immer noch zuverlässig einen großen Schrecken ein; sogar die (fast) alljährliche Benachrichtigung über meine Einkommenssteuer-Rückvergütung... Und auch Briefe von meiner Bank erschrecken mich jedes Mal aufs neue, auch wenn ich weiß, daß da meistens sowieso nur mein aktueller Kontoauszug drin ist, also quasi die in Papier gegossene Version von Informationen, die ich (dank E-Banking) sowieso schon hatte.
Gut, außerdem bekomme ich noch einmal im Monat die Mitgliederzeitschrift vom Bund der Steuerzahler, aber soooo toll ist die nicht, daß ich mich da jeden Monat aufs neue drauf freuen könnte. Sie fällt eher in die Kategorie „nicht gruselig“, also ungefähr wie diejenigen Werbesendungen, die ich nicht unbesehen wegwerfe.

Ein guter Tag war einer, an dem ich entweder gar keine Post bekam oder zumindest nur Werbesendungen. Oder meinetwegen diese Steuerzahler-Zeitschrift.

(Daß bei dieser Betrachtungsweise die meisten Tage „gute Tage“ sind, bedeutet leider nicht, daß mir nicht trotzdem jedesmal, wenn ich den Briefträger kommen hörte bzw. beim Heimkommen die Tür aufschloß, etwas bang zumute wurde.)

Aber jetzt ist alles anders. Denn jetzt bekomme ich ja noch eine dritte Art von Post, nämlich Postkarten aus aller Welt. :-)

Jetzt ist ein guter Tag nicht mehr einer ohne Post, sondern einer, an dem ich eine Postkarte bekomme.

Und inzwischen freue ich mich fast jeden Tag auf die Post. Heute, Sonntag, habe ich mich sogar dabei erwischt, daß ich mich darüber ärgerte, daß ich heute keine Post bekommen würde.

Nicht schlecht für eine Angstneurotikerin, der es bis vor kurzem noch jeden (Werk-) Tag vor der Post graute. Oder? :-)

So einfach kann es manchmal sein...

Inzwischen habe ich übrigens schon neun Karten verschickt (von denen fünf auch schon angekommen sind) und sechs bekommen.

(Das Ganze erinnert mich ein bißchen an den Fall einer Bekannten, die als Kind fürchterliche Angst vor Hunden hatte – bis sich Freunde von ihr einen Tibet-Terrier zulegten. Diese Rasse ist unglaublich freundlich und unglaublich verspielt und sieht außerdem aus wie ein Wollknäuel auf Beinen; eine von diesen Hunderassen, wo man vorne und hinten am besten daran unterscheiden kann, daß nur eins der beiden Enden wedelt. Durch den Kontakt mit diesem Hund hat sie ihre Angst vor Hunden sehr schnell verloren, und inzwischen hat sie selber einen Hund.)

Aaaaah, Posttherapie... sollte ich vielleicht schnell zum Patent anmelden, bevor’s ein anderer tut... Tibet-Terrier-Therapie ebenfalls. ;-)

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