Montag, 7. März 2011
Meerschweinchen-Erinnerungen
Themen: Meerschweinchen
Gestern hat Milla in ihrem Comic-Blog von ihrer neuen Mitbewohnerin, dem Meerschweinchen Alma, erzählt.

Der Comic ist zwar auf finnisch, aber ich erzähle mal, was drinsteht, damit ihr keine unnötigen Hemmungen habt, ihn euch anzusehen... die Bilder sind nämlich echt goldig und sehr treffend. :-)

Auf dem großen Bild oben wird Alma vorgestellt. Der Kommentar in der Sprechblase macht sich über die Körperform des Meerschweinchens lustig; pötkylä ist ein Slangausdruck für einen kurzen und runden Gegenstand. „Haha! Was für ein tolles pötkylä!“ (Der erste Kommentar unten bestätigt das. „Ja, Meerschweinchen sind echt tolle pötkyläs.“ Dem kann ich mich nur anschließen; Meerschweinchen sind toll, und ihre typische Körperform läßt sich auch nicht bestreiten.)

Dann erzählt Milla, daß Alma Freunden gehört und zur Zeit bei ihr in Pflege ist. Was für Milla eine spannende Angelegenheit ist, weil sie vorher noch nie ein Meerschweinchen hatte. Die weiteren vier Bilder zeigen etwas, was Meerschweinchen-Fans vertraut sein sollte:

Bild oben links: „Was? Was hast du gesagt?“ (Alma macht das Geräusch, das ein zufriedenes Meerschweinchen macht. Das hört sich ein bißchen wie Gurren an. Der deutsche Ausdruck ist „murmeln“.)

Bild oben rechts: „Nee, echt? Ist ja interessant!“ (Alma murmelt weiter.)

Bild unten links: „Jetzt erzähle ich dir auch ein Geheimnis...“ (Milla ahmt Meerschweinchenlaute nach.)

Bild unten rechts: (Alma antwortet.)

Beachtet auch den Gesichtsausdruck des Meerschweinchens auf dem letzten Bild. ;-) Dieses Meerschweinchen fühlt sich geborgen!

Ja, es ist schön, wenn man mit seinem Meerschweinchen redet und es antwortet... :-D Meerschweinchen sind sehr gesprächige Tiere, vor allem, wenn sie sich wohlfühlen.

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Als ich klein war, hatten wir auch Meerschweinchen. Zuerst eins namens Dagobert, das wir von dem Kindergarten übernommen hatten, in den ich damals ging – keine Ahnung, warum sie das abgeben wollten (mußten?), aber auf jeden Fall hat es dann bei uns gewohnt. Und wir haben uns daran gewöhnt, mit einem Meerschweinchen zusammenzuleben. Ich kann mich allerdings kaum an Dagobert erinnern, denn ich war damals erst vier Jahre alt...

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Als dieses Meerschweinchen gestorben war, besorgten wir uns schnell ein neues: Dagobert II, das Super-Meerschweinchen. (Rückblickend frage ich mich, wie es passieren konnte, daß wir bei der Namenswahl dermaßen wenig Phantasie zeigten... aber egal.)

Dago war ja eigentlich eine Meerschweinchen-Dame. Eine Meersau, sozusagen. Das haben wir allerdings erst herausgefunden, als der Name schon feststand.

Dago war zwar „nur“ ein ganz gewöhnliches mehrfarbiges Kurzhaar-Meerschweinchen (weißer Streifen auf der Nase, schwarzbraune Bäckchen und der restliche Körper weiß-braun-schwarz geringelt), aber sie war dennoch ein ganz besonderes Meerschweinchen. Sie wurde stolze neun Jahre alt und betrachtete unsere Familie sozusagen als ihre Herde. Damals arbeitete meine Mutter halbtags zu Hause, und ihr Schreibtisch stand, wie auch das Meerschweinchen-Ställchen, im Wohnzimmer. So war Dago tagsüber fast nie allein; vormittags saß meine Mutter am Schreibtisch, nachmittags saß sie oft auf dem Sofa und las oder strickte, und ich saß nachmittags, wenn ich sonst nichts vorhatte, ebenfalls gerne im Wohnzimmer. Und abends (und natürlich feiertags und am Wochenende) war auch mein Vater oft im Wohnzimmer zu finden.

Meerschweinchen sind ja Herdentiere, deshalb sollte man sie ja eigentlich immer zu mehreren halten, aber Dago betrachtete, wie gesagt, uns als ihre Herde. Sie „redete“ gern mit uns; sobald sich mehrere Menschen im Zimmer befanden und irgendjemand etwas sagte, mußte auch Dago ihren Senf dazugeben und begann (je nach Stimmung) zu quieken oder zu murmeln. (Wer wissen will, wie sich das anhört, möge sich die folgenden beiden Dateien bei Wikimedia anhören: freudig erregtes Meerschweinchen, zufriedenes Meerschweinchen.) Dieses Murmeln war auch Dagos übliche Reaktion auf Musik; wir sagten immer: sie singt mit. ;-)

(Dieses zufriedene Murmeln ist wohl auch das Geräusch, das Milla in ihrem Comic mit „kurr“ wiedergibt.)

So ein Meerschweinchen will ja nicht sein ganzes Leben im Ställchen verbringen, egal, wie komfortabel man ihm das einrichtet. Also durfte Dago natürlich ab und zu auch im Wohnzimmer frei herumlaufen. (Dann mußten wir immer aufpassen, wenn wir die Tür öffneten, daß das Meerschweinchen in sicherer Entfernung war; da ging’s nämlich direkt ins Treppenhaus, und die Kombination aus einem neugierigen Meerschweinchen und einer nach unten führenden Treppe war uns nicht ganz geheuer.) Allerdings sitzen Meerschweinchen gerne unter Sachen – da fühlen sie sich sicher und geborgen. Also hielt Dago sich an solchen „Freilauftagen“ meist in Wandnähe hinter einer Gardine auf oder hockte unter dem Sofa.

Und wenn meine Mutter am Schreibtisch saß, saß Dago unterm Schreibtisch. Wenn sie da in ihrer Höhle saß, duldete sie keine Gesellschaft außer den Füßen meiner Mutter; ich habe ein paarmal versucht, zu ihr hineinzukrabbeln, und das wurde jedes Mal mit drohendem Zähneklappern quittiert. (Ja, Zähneklappern ist bei Meerschweinchen ein Drohgeräusch: „hör mal, was ich für scharfe Zähne habe, willst du die etwa auch fühlen?“ – und nicht etwa ein Angstgeräusch wie bei uns Menschen.)

Aber wenn meine Mutter aufstand, um sich beispielsweise etwas zu trinken zu holen, lief Dago ihr (murmelnd – mit diesem Geräusch zeigen Meerschweinchen nicht nur an, daß sie sich wohlfühlen, sondern sie teilen auch allen eventuell in Hörweite befindlichen anderen Meerschweinchen mit: hallo, ich befinde mich hier) hinterher. An der Wohnzimmertür drehte meine Mutter sich um, um sicherzugehen, daß ihr das Meerschweinchen nicht ins Treppenhaus folgte. Und das Meerschweinchen blieb stehen und guckte sie an. Dann fragte meine Mutter beispielsweise: „Willst du Salat?“ Und Dago bejahte diese Frage mit lautem Quieken.

(Dieses Quieken hört man als Meerschweinchenbesitzer vor allem im Zusammenhang mit Futter. Dago hatte sehr schnell gelernt, die Bezeichnungen ihrer „Lieblingsgerichte“ (Salat, Körner, Heu) zu erkennen, und reagierte auf diese Wörter immer ziemlich begeistert. Bei anderen Meerschweinchen habe ich solches Quieken als Reaktion auf andere mit Futter assoziierte Reize erlebt; wenn ein Meerschweinchen beispielsweise sein Futter oft in Tüten oder anderen Papier- oder Plastikverpackungen gebracht (bzw. aus solchen serviert) bekommt, wird es beim Rascheln von Plastikfolie oder Papier erwartungsvoll quieken.)

Dann ging meine Mutter in die Küche und brachte auf dem Rückweg ein paar Blätter Kopfsalat zurück. Oder sie ging in die Küche und erledigte dies und das und jenes und vergaß darüber das Meerschweinchen, das bei ihrer Rückkehr natürlich noch an der Tür saß und sie erwartungsvoll anguckte. Und von diesem Blick bekam sie so ein schlechtes Gewissen, daß sie sofort zurücklief und den versprochenen Salat holte. ;-)

Wie schon erwähnt, sitzen Meerschweinchen gerne unter Sachen drunter. Bei Dago und einigen anderen Meerschweinchen im Bekanntenkreis äußerte sich das unter anderem darin, daß sie mir, wenn ich sie auf dem Schoß hielt, gerne unter den Pullover krabbelten. Irgendwo gibt es noch ein Foto von mir mit einem aus dem Kragen lugenden Meerschweinchen... Dago kam hinterher immer freiwillig aus diesem Versteck hervor, aber das Meerschweinchen einer Freundin von mir fühlte sich zwischen meinem Pullover und meinem Unterhemd (merke: Meerschweinchenkrallen auf nackter Bauchhaut können ziemliche Kratzer hinterlassen!) dermaßen geborgen, daß wir es nur mit Gewalt wieder herausbekamen; ich lüftete den Pullover und meine Freundin griff schnell mit beiden Händen das Meerschweinchen und hob es weg, möglichst bevor es sich festkrallen konnte. (Wie gesagt: Meerschweinchenkrallen...)

Meerschweinchen sind auch ein gutes Beruhigungsmittel! Irgendjemand in einer Meerschweinchen-Newsgruppe hat mal gesagt: Nichts ist beruhigender als ein Meerschweinchen, das auf deinem Schoß eingeschlafen ist. Dem kann ich zustimmen; allerdings nur bis zu dem Punkt, wo man merkt, daß man eigentlich dringend auf die Toilette müßte und nun vor dem schrecklichen Problem steht, daß man dann ja das Meerschweinchen wecken muß. Oweh. ;-)

Als ich das allererste Mal allein abends zu Hause bleiben durfte, während meine Eltern ausgingen, fühlte ich mich nach einer Weile einsam. Also ging ich ins Wohnzimmer und nahm Dago auf den Arm. So saß ich dann eine Weile auf dem Sofa mit einem zufrieden murmelnden Meerschweinchen auf dem Schoß, und danach fühlte ich mich wieder besser und ging zurück ins Bett.

Meerschweinchentherapie, sozusagen.

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Oh Mann, ich könnte noch stundenlang Dago-Geschichten erzählen.

Beispielsweise darüber, wie wir in einer Zeit, in der es noch keine Transportkörbe oder -käfige für Kleintiere zu kaufen gab, mit einem kranken Meerschweinchen im Bus oder Taxi zum Tierarzt fuhren. Meine Mutter hatte eine große Korbtasche, die wir dazu mit Strickwaren (Pullover, Schals, was uns halt in die Finger kam) füllten, und dann wurde das Meerschweinchen draufgesetzt. So war es einigermaßen geschützt (und vor allem: es fühlte sich geschützt und geborgen) und konnte gleichzeitig gut transportiert werden.

Ein paarmal ist Dago auch auf diese Weise mit mir verreist. Da fuhren wir mit dem Auto – Meerschweinchenställchen und Futtervorräte im Kofferraum, Korbtasche mit Strickwaren (siehe oben) und Meerschweinchen neben mir auf dem Rücksitz – zu meinen Großeltern und dann blieben Dago und ich eine Woche dort, während meine Eltern beispielsweise zur Buchmesse nach Frankfurt oder nach Leipzig fuhren.

Oder ich könnte davon erzählen, wie Dago immer „mitsang“, wenn ich Klavier spielte. Wenn sie Freilauf hatte und hinter irgendeinem Vorhang saß, kam sie immer freundlich murmelnd hervorgelaufen, sobald ich eine Weile gespielt hatte. Und als sie ganz zum Schluß ins Koma gefallen war (wir hatten damals eine Nachbarin, die Krankenschwester war und uns zeigte, wie man bei einem Meerschweinchen den Puls fühlt, daher wußten wir, daß sie allem Anschein zum Trotz noch lebte) und auf Heu aufgebettet lag, konnte man sie immer noch ab und zu murmeln hören, wenn ich auf dem Klavier übte... <schnief>

(OK, kleine Pause. Ich muß eine Schweigeminute einlegen...)

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Einige Wochen nach Dagos Tod stand auf einmal ein Freund meiner Eltern, der im Zoo arbeitete, vor der Tür; in der einen Hand hielt er eine kleine Pappschachtel mit Luftlöchern im Deckel und in der anderen einen riesigen Sack. In dem Sack war Heu, in der Schachtel zwei kleine Meerschweinchen, gerade mal ein paar Wochen alt und somit alt genug, um auf eigene Faust zu leben bzw. ohne die Mutter klarzukommen.

Das waren Mischi und Amanda.

Für die beiden mußten wir zuallererst einmal ein größeres Ställchen besorgen – zwei Meerschweinchen, und seien sie auch noch so klein, brauchen nun mal mehr Platz als eins. Außerdem brauchten sie ein anderes Häuschen; das alte „Dago-Häuschen“ war für zwei so kleine Meerschweinchenmädchen (Meerferkel?) viel zu groß. Also bekamen sie ein Hamsterhäuschen, das sie auch gern benutzten.

Als sie zu uns kamen, waren Mischi und Amanda noch so klein, daß sie zusammen auf die Handfläche eines Erwachsenen paßten. Aber natürlich wuchsen sie, wie Kinder es nun mal zu tun pflegen. Und da sie sich, wie Meerschweinchen es nun mal zu tun pflegen, gerne unter Sachen druntersetzten, benutzten sie das Hamsterhäuschen auch dann noch mit Begeisterung, als sie schon so groß waren, daß wir uns später rückblickend fragten, wie sie es überhaupt durch den Eingang schafften. Auch das Innere des Häuschens war für zwei halb ausgewachsene Meerschweinchen einfach zu klein. Als wir einmal das Hamsterhäuschen hochhoben und darunter ein mehr oder weniger würfelförmiges pelziges Etwas zum Vorschein kam, das quiekend in zwei verschiedene Richtungen davonstob, wurde das Hamsterhäuschen ganz schnell eingemottet und die beiden bekamen das alte „Dago-Häuschen“, für das sie nun anscheinend groß genug waren. Die beiden hatten in dem Hamsterhäuschen tatsächlich fast aufeinander gesessen...

Leider hatten wir Mischi und Amanda nur recht kurz, nicht viel länger als ein Jahr. Dann wurden die Allergien meines Vaters so schlimm, daß er nicht mehr im selben Haushalt wie ein Tier mit Fell oder Federn wohnen konnte. Zum Glück fand sich im erweiterten Bekanntenkreis eine Familie, die die beiden aufnahm. Wir haben sie dort auch ein paarmal besucht.

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Ich habe ja seit dem Sommer ein Meerschweinchen namens Joep als Hintergrundbild auf dem Rechner. Der Kleine scheint sich auf dem Bild richtig wohl zu fühlen; und zu Recht, denn er hat offensichtlich einen Menschen, der sich gut um ihn kümmert und ihm ein Ställchen mit ordentlich Heu und Stroh und auch etwas Sonnenschein zur Verfügung stellt. Wenn ein Meerschweinchen so entspannt auf der Seite liegt, geht es ihm gut. :-)