Sonntag, 17. Oktober 2010
Schreibschreibschreib
Themen: Schreiben
sileas, 19:32h
Meine Kurzgeschichtenschreiberei schreitet fort. Ich habe jetzt Pläne für zwölf Geschichten und außerdem auch schon zwei (!) ganze (!) Szenen fertiggeschrieben. <freu> Ja, gut, die zwölfte Geschichte ist mir erst heute nacht eingefallen und ich habe dazu noch gar nichts aufgeschrieben, aber sie existiert. <nochmalfreu>
Es war ja schon ein tolles Gefühl, als ich auf einmal über das erste Wort hinauskam. In der von mir erwähnten Spongebob-Folge starrt er ja drei Tage lang sein Blatt Papier mit dem einzigen Wort „The“ drauf an, aber schließlich kommt ihm doch noch eine Inspiration und er schreibt zügig seinen Aufsatz über Ampeln (und hat ihn, wenn ich mich recht entsinne, sogar einen Tag vor dem Abgabetermin fertig). Ich mußte meine Textdatei mit dem einzigen Wort „Later“ deutlich länger als drei Tage anstarren, bis mir endlich die Inspiration kam. Beziehungsweise das... hmm, ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll. Eigentlich hatte ich die Szene im Kopf schon ziemlich komplett fertiggeschrieben und wußte schon, welche Formulierung ich wo wie verwenden wollte und wer wann was zu wem sagt usw., aber irgendwie schaffte ich es mehrere Tage lang einfach nicht, das tatsächlich auch zu tippen.. . .
„Later“? Ja, ich schreibe auf englisch. Meine Hauptpersonen sind Englisch-Muttersprachler und das Ganze spielt in einem englischsprachigen Land, außerdem bin ich zweisprachig und darf das. Und „later“ deshalb, weil es sich nicht um die erste Szene der betreffenden Geschichte handelt, sondern um eine spätere. Genauer: die Schlußszene.
Ja, natürlich ist mir irgendwann klargeworden, daß der englischsprachige Markt größer ist als der deutschsprachige. Das war allerdings lange nachdem ich angefangen hatte, die Geschichten (oder zumindest Inhaltsangaben und Charakterbeschreibungen) auf englisch zu schreiben. Meine Protagonisten reden halt in meinem Kopf auf englisch miteinander und es ist einfacher, das so aufzuschreiben, als mir mühevoll eine brauchbare Übersetzung auszudenken. Außerdem kommt ab und zu Fachterminologie vor, die ich zwar in beiden Sprachen beherrsche, aber auf deutsch leider nicht benutzen kann, ohne in wildes Gekicher auszubrechen. Nein, fragt lieber nicht... An solche Sachen wie Veröffentlichen denke ich noch lange nicht. Schließlich ist der Kram ja (größtenteils) noch nicht einmal geschrieben. Ich kenne zwar jemanden, der Kontakte zu britischen Verlagen hat, aber das ist der ehemalige Chef meiner Mutter und ich weiß nicht, ob ich mich traue, dem mein Geschreibsel vorzulegen... Ich habe auch ein paar Kontakte in der deutschsprachigen Verlagsszene, aber denen würde ich es vermutlich auch nicht unbedingt zu zeigen trauen... Oweia... Eigentlich fallen mir nur zwei Personen in meinem Bekanntenkreis ein, die ich womöglich für solche Sachen wie Korrekturlesen einspannen könnte. Oder einzuspannen mich trauen könnte. Was ziemlich traurig ist angesichts der Tatsache, daß ich eine Menge Leute kenne, die im Verlagswesen arbeiten oder mal gearbeitet haben, und außerdem mindestens eine Schriftstellerin und drei Dichter (OK, zwei Dichterinnen und einen Songtexter) und zwei Literaturwissenschaftler und mehrere Sachbuchautoren...
Aber ich schweife ab. Denn zur Zeit habe ich ja noch gar nichts, was man korrekturlesen oder gar veröffentlichen könnte... ;-). . .
Die Recherchen zum Thema „Was ist das überhaupt, eine Kurzgeschichte?“ schreiten ebenfalls fort. Ich hatte mich ja vor einigen Wochen über schlecht editierte Geschichten beklagt; so etwas ist natürlich vor allem dann schade, wenn die Geschichten ansonsten ganz gut sind (was dort eigentlich größtenteils der Fall war) und man halt von den blöden Kommafehlern oder Stilbrüchen oder was-weiß-ich immer wieder von der Handlung abgelenkt wird. Inzwischen habe ich allerdings auch einige Sammelbände mit besser editierten Geschichten gefunden, und da wühle ich mich gerade durch. (Das Päckchen von Amazon neulich enthielt ein paar Bände einer sehr gut editierten Anthologie, deren neuesten Band ich seinerzeit hier in einer Buchhandlung entdeckt habe.)
(Einschub: Wenn man mehrere Kurzgeschichten desselben Autors liest, fallen einem manchmal interessante Sachen auf. Ich habe hier mehrere Bände mit Kurzgeschichtensammlungen, in denen von manchen Leuten mehr als eine Geschichte auftaucht. Bei einer bestimmten Autorin bin ich mir so gut wie sicher, daß es in ihrem Leben zwei Leute namens Marcus und Michael gibt, die ihr irgendwie wichtig sind, denn in allen ihren Geschichten gibt es mindestens einen Marcus oder einen Michael, in manchen sogar beide, und in einigen Geschichten heißt eine der Hauptpersonen so. Und das sind bis auf den einen Marcus, der in zwei Geschichten vorkommt, alles verschiedene Leute... – Andererseits: In meinem Leben gibt es ebenfalls mehrere Leute namens Marcus (OK, ein Marcus und mehrere Markusse) und Michael; vielleicht ist das einfach nur eine Generationenfrage. In meinem Jahrgang war „Michael“, glaube ich, der häufigste Jungenname. – Anderer-andererseits: Ich gebe mir ganz bewußt Mühe, meine Figuren nach niemandem zu benennen, das heißt, die meisten Namen kommen in meinem Bekanntenkreis nicht vor und auch nicht in meinen Lieblingsfilmen oder -büchern... So komme ich erstens nicht in Versuchung, eine Figur zu stark an jemanden anzulehnen, den ich (in Wirklichkeit oder aus einer anderen Geschichte) kenne, und außerdem kann sich hinterher niemand darüber beschweren, was ich angeblich „über ihn“ geschrieben hätte. Die Konsequenz daraus ist wohl, daß ich, wenn ich irgendwann mal Geschichten über ganz andere Leute als meine derzeitigen Protagonisten schreiben sollte, denen vermutlich wieder ganz andere Namen geben werde, damit ich nicht versehentlich die neuen Protagonisten zu stark an die alten anlehne.)
Ich lerne so auch eine Menge verschiedene Stile kennen. Heute morgen habe ich eine Geschichte gelesen, in der zwar eine Menge Dialog vorkam, aber kein einziges Anführungszeichen. Stattdessen war alles, was irgendein Protagonist sagte, kursiv gesetzt. Seltsam, aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran.. . .
Im Moment habe ich eine Menge Spaß mit Figurenentwicklung. Mir war von Anfang an klar, daß es in den Geschichten immer um dieselben Figuren geht (nennen wir sie A und B), die sich irgendwann am Anfang kennenlernen (OK, in der ersten Geschichte kennen sie sich schon, aber es gibt eine Rückblende zum Zeitpunkt des Kennenlernens) und dann entwickelt sich eine Beziehung (und entwickelt sich, und entwickelt sich). Klar, daß sich dabei auch die Figuren irgendwie weiterentwickeln. Schließlich zieht sich die Handlung (bis jetzt) über einen Zeitraum von ungefähr zwei Jahren... Ein Roman wird es trotzdem nicht. Denn dafür bräuchte ich eine völlig andere Art von Handlungsbogen. Oder gibt es vielleicht so etwas wie einen „Episodenroman“? <grübel> Obwohl: Selbst wenn es so etwas gibt, wäre das wahrscheinlich nicht unbedingt etwas für mich, weil es mir die Freiheit nehmen würde, die nächste Geschichte irgendwann zwischen zwei anderen Geschichten spielen zu lassen.
. . .
Jetzt habe ich vor einer Woche durch ein (eigentlich gar nicht geplantes) literarisches Experiment etwas völlig Neues und Überraschendes über eine der beiden Hauptpersonen erfahren. Ich hatte gegenüber einer Freundin erwähnt, daß ich für meine beiden Hauptpersonen einen psychologischen Test gemacht habe, um mehr über sie zu erfahren. (Nebenbei bemerkt: Solche Tests nicht für sich selbst, sondern für fiktive Personen zu machen, macht Spaß.) Eine der Fragen in dem Test war in etwa: „Wenn das Telefon klingelt, versuchen Sie dann (a) selber so schnell wie möglich ranzugehen oder warten Sie (b) lieber, daß jemand anderes rangeht?“ Meine beiden Hauptpersonen sind zwar eigentlich charakterlich ziemlich unterschiedlich, aber in diesem Punkt sind sie sich sehr ähnlich. Beide wollen lieber selber zuerst ans Telefon gehen.
Daraufhin meinte meine Freundin, das sei doch ein ganz prima Ansatzpunkt für eine Geschichte. Die beiden befinden sich irgendwo, wo sich auch ein Telefon befindet, das nicht eindeutig einem der beiden zuordenbar ist – es handelt sich also nicht um ein Szenario wie „A und B sitzen zusammen und ihre Mobiltelefone liegen auf dem Tisch und eins fängt an zu klingeln“ oder „A ist bei B zu Besuch und deshalb ist für das klingelnde Telefon im Wohnzimmer eindeutig B zuständig“. Sie schlug mir als Beispiel vor: „A und B befinden sich in einem Hotelzimmer und das Hoteltelefon klingelt“. Und weiter: „Beide stürzen sich spontan auf das klingelnde Telefon, und das löst... etwas aus, wodurch wir etwas Neues und Interessantes über eine der beiden Figuren erfahren.“
Ich grübelte eine Weile herum (warum sind die beiden im Hotel, wer ruft da an, und was zum Geier könnte durch sowas ausgelöst werden?) und hatte schließlich ein Szenario, in dem erstens A und B auf halbwegs plausible Weise in ein Hotelzimmer geraten und zweitens das Telefonklingeln tatsächlich etwas auslöst, wodurch wir etwas Neues und (hoffentlich) Interessantes über eine der beiden Figuren erfahren.
Ich hatte ja schon mal erwähnt, daß mir diese beiden Figuren (und die grundsätzliche Handlung einiger Geschichten) mehr oder weniger spontan und komplett eingefallen sind. So habe ich bei der Figurenentwicklung meist nicht das Gefühl, mir jetzt etwas Neues über A oder B auszudenken, sondern eher, A und/oder B jetzt näher kennenzulernen. (Habe ich wohl auch schon mal erwähnt.) Einmal hatte ich sogar ganz deutlich den Eindruck, daß mir ein bestimmtes Detail aus der Vergangenheit von A gerade jetzt einfällt, weil A mich jetzt gut genug kennt und mir hinreichend vertraut, um mir diese Sache anzuvertrauen. Ich weiß nicht, ob das professionellen Schriftstellern öfters passiert; für mich war es jedenfalls eine völlig neue (und ziemlich seltsame) Erfahrung... Ich wußte zwar schon, daß das manchmal Leuten passiert, die sich (beispielsweise für einen Fantasyroman oder für ein Rollenspiel) eine neue Kultur ausdenken – von denen hört man manchmal solche Sachen wie „und letzte Woche habe ich entdeckt, daß es in dieser Kultur die-und-die Sitte oder das-und-das Tabu gibt“ –, aber mit Einzelpersonen...? Das war für mich, wie gesagt, ein völlig neues Phänomen.
Und jetzt habe ich durch die Sache mit dem Hoteltelefon gemerkt, daß zwischen A und B eigentlich schon seit ihrer ersten Begegnung (die Hotelgeschichte spielt über ein Jahr danach) ein Konflikt schwelt, der noch nie direkt angesprochen wurde. Dieser Konflikt ist eigentlich kein besonders großer oder schlimmer (das ist wohl auch der Grund, warum sie ihn noch nie angesprochen haben), aber auch kleine Konflikte können sich ja zu großen und schlimmen entwickeln, wenn man sie ein paar Jahre lang auf kleiner Flamme köcheln läßt. (In „The Joy Luck Club“ (dem Buch, nicht dem Film) wird, wenn ich mich recht entsinne, an einer Stelle eine vernarbte Wunde, wo sich unter der Haut eine Entzündung entwickelt, als Metapher für so etwas Ähnliches benutzt.)
Aber jetzt haben sie es ja angesprochen und – hmm, ich weiß nicht, ob sie den Konflikt tatsächlich gelöst haben, aber wenigstens ist ihnen jetzt bewußt, daß er existiert, und können sich darauf einstellen.
Und weil ich es bin, die die Geschichte schreibt, artete das Ganze danach dann in Terminologiearbeit aus. :-)
Eigentlich hatte ich geplant gehabt, daß die Geschichte mit dem Hoteltelefon ungefähr so verläuft: A und B sind im Hotel. Rückblende: Wie und warum A und B ins Hotel gekommen sind. Zurück in der Gegenwart: Das Telefon im Hotelzimmer klingelt. Beide stürzen hin. Weil A aus bestimmten Gründen, die in der Geschichte dargelegt werden, der Meinung ist, sozusagen einen größeren Anspruch auf das Telefon (bzw. das Ans-Telefon-Gehen) zu haben, löst das einen Konflikt aus, der schließlich dazu führt, daß A einen Gefühlsausbruch hat und dabei diesen unter der Oberfläche schwelenden Konflikt anspricht (den B noch gar nicht bewußt mitbekommen hatte). B tröstet A und sie sprechen sich aus. Letzte Szene: Alles ist wieder in Ordnung, oder zumindest für geeignete Werte von „alles“ und „in Ordnung“. Zumindest sind die Wogen geglättet, A hat sich beruhigt und sie vertragen sich wieder.
Aber mit diesem Schluß war ich nicht so ganz glücklich, weil er etwas arg abrupt kam und die beiden sich meiner Meinung nicht ausreichend ausgesprochen hatten. Also beschloß ich, auch noch etwas darüber zu erwähnen, daß sie am nächsten Tag das Thema, das dem Konflikt zugrundeliegt, ausdiskutieren. Daher schlug ich einige relevante Begriffe in diversen Wörterbüchern nach (man will ja wissen, worüber man seine Figuren reden läßt) und stellte fest, daß es da bei einem ganz zentralen Begriff ziemlich hapert: In allen von mir konsultierten Wörterbüchern (online und offline) drehten sich die Definitionen im Kreise. „<Substantiv> = eine Sache, die (oder ein Ereignis, das) <Adjektiv> ist.“ „<Adjektiv> = die Eigenschaft von <Substantiv>.“ (Beziehungsweise auf englisch: „<Adjektiv> = of or pertaining to <Substantiv>.“)
Herzlichen Dank auch. :-P
Also mußte ich mich selber hinsetzen und Terminologiearbeit betreiben. <seufz> Gut, macht ja nichts, so etwas habe ich ja sogar schon auf professioneller Ebene betrieben und weiß daher, daß ich es kann...
Das gab meiner Geschichte dann glücklicherweise auch etwas neuen Schwung. Denn jetzt können meine Protagonisten außer über das Thema selber auch darüber reden, daß dieses Thema auch deshalb problematisch ist, weil selbst die Lexikographen anscheinend nicht wissen, was das ist. So basteln sie sich in ihrer Diskussion dann nach und nach die Definition zusammen, auf die ich schließlich gekommen bin. ;-)
Was den Vorteil hat, daß die Diskussion jetzt eine etwas besser spezifizierten Verlauf als „wir haben ein Problem, bla bla, wir haben eine Lösung“ nimmt. :-). . .
Letzte Nacht ist mir durch mein eigenes, aber ganz anders geartetes Problem mit einem klingelnden Telefon auch noch klargeworden, daß mein A, also die Person, die in der Geschichte diesen Gefühlsausbruch hat und dann den unter der Oberfläche schwelenden Konflikt anspricht (von dem B, wie gesagt, nichts ahnte), sich womöglich im Anfangsstadium einer Depression befindet.
Und davon handelt jetzt Geschichte Nummer 12. Die befindet sich allerdings noch im Planungsstadium, oder eigentlich sogar am Anfang des Planungsstadiums. Ich habe eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie im allgemeinen Zeitverlauf (zwischen den anderen Geschichten) einzuordnen ist, aber immerhin habe ich ein Thema, und auch noch eins, das vermutlich für mehr als nur eine einzige Geschichte gut sein wird: Diagnose, Therapie, Auswirkungen auf den Alltag, Auswirkungen auf die andere Hauptperson (und diverse Nebenfiguren)...
Es war ja schon ein tolles Gefühl, als ich auf einmal über das erste Wort hinauskam. In der von mir erwähnten Spongebob-Folge starrt er ja drei Tage lang sein Blatt Papier mit dem einzigen Wort „The“ drauf an, aber schließlich kommt ihm doch noch eine Inspiration und er schreibt zügig seinen Aufsatz über Ampeln (und hat ihn, wenn ich mich recht entsinne, sogar einen Tag vor dem Abgabetermin fertig). Ich mußte meine Textdatei mit dem einzigen Wort „Later“ deutlich länger als drei Tage anstarren, bis mir endlich die Inspiration kam. Beziehungsweise das... hmm, ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll. Eigentlich hatte ich die Szene im Kopf schon ziemlich komplett fertiggeschrieben und wußte schon, welche Formulierung ich wo wie verwenden wollte und wer wann was zu wem sagt usw., aber irgendwie schaffte ich es mehrere Tage lang einfach nicht, das tatsächlich auch zu tippen.
Ja, natürlich ist mir irgendwann klargeworden, daß der englischsprachige Markt größer ist als der deutschsprachige. Das war allerdings lange nachdem ich angefangen hatte, die Geschichten (oder zumindest Inhaltsangaben und Charakterbeschreibungen) auf englisch zu schreiben. Meine Protagonisten reden halt in meinem Kopf auf englisch miteinander und es ist einfacher, das so aufzuschreiben, als mir mühevoll eine brauchbare Übersetzung auszudenken. Außerdem kommt ab und zu Fachterminologie vor, die ich zwar in beiden Sprachen beherrsche, aber auf deutsch leider nicht benutzen kann, ohne in wildes Gekicher auszubrechen. Nein, fragt lieber nicht... An solche Sachen wie Veröffentlichen denke ich noch lange nicht. Schließlich ist der Kram ja (größtenteils) noch nicht einmal geschrieben. Ich kenne zwar jemanden, der Kontakte zu britischen Verlagen hat, aber das ist der ehemalige Chef meiner Mutter und ich weiß nicht, ob ich mich traue, dem mein Geschreibsel vorzulegen... Ich habe auch ein paar Kontakte in der deutschsprachigen Verlagsszene, aber denen würde ich es vermutlich auch nicht unbedingt zu zeigen trauen... Oweia... Eigentlich fallen mir nur zwei Personen in meinem Bekanntenkreis ein, die ich womöglich für solche Sachen wie Korrekturlesen einspannen könnte. Oder einzuspannen mich trauen könnte. Was ziemlich traurig ist angesichts der Tatsache, daß ich eine Menge Leute kenne, die im Verlagswesen arbeiten oder mal gearbeitet haben, und außerdem mindestens eine Schriftstellerin und drei Dichter (OK, zwei Dichterinnen und einen Songtexter) und zwei Literaturwissenschaftler und mehrere Sachbuchautoren...
Aber ich schweife ab. Denn zur Zeit habe ich ja noch gar nichts, was man korrekturlesen oder gar veröffentlichen könnte... ;-)
(Einschub: Wenn man mehrere Kurzgeschichten desselben Autors liest, fallen einem manchmal interessante Sachen auf. Ich habe hier mehrere Bände mit Kurzgeschichtensammlungen, in denen von manchen Leuten mehr als eine Geschichte auftaucht. Bei einer bestimmten Autorin bin ich mir so gut wie sicher, daß es in ihrem Leben zwei Leute namens Marcus und Michael gibt, die ihr irgendwie wichtig sind, denn in allen ihren Geschichten gibt es mindestens einen Marcus oder einen Michael, in manchen sogar beide, und in einigen Geschichten heißt eine der Hauptpersonen so. Und das sind bis auf den einen Marcus, der in zwei Geschichten vorkommt, alles verschiedene Leute... – Andererseits: In meinem Leben gibt es ebenfalls mehrere Leute namens Marcus (OK, ein Marcus und mehrere Markusse) und Michael; vielleicht ist das einfach nur eine Generationenfrage. In meinem Jahrgang war „Michael“, glaube ich, der häufigste Jungenname. – Anderer-andererseits: Ich gebe mir ganz bewußt Mühe, meine Figuren nach niemandem zu benennen, das heißt, die meisten Namen kommen in meinem Bekanntenkreis nicht vor und auch nicht in meinen Lieblingsfilmen oder -büchern... So komme ich erstens nicht in Versuchung, eine Figur zu stark an jemanden anzulehnen, den ich (in Wirklichkeit oder aus einer anderen Geschichte) kenne, und außerdem kann sich hinterher niemand darüber beschweren, was ich angeblich „über ihn“ geschrieben hätte. Die Konsequenz daraus ist wohl, daß ich, wenn ich irgendwann mal Geschichten über ganz andere Leute als meine derzeitigen Protagonisten schreiben sollte, denen vermutlich wieder ganz andere Namen geben werde, damit ich nicht versehentlich die neuen Protagonisten zu stark an die alten anlehne.)
Ich lerne so auch eine Menge verschiedene Stile kennen. Heute morgen habe ich eine Geschichte gelesen, in der zwar eine Menge Dialog vorkam, aber kein einziges Anführungszeichen. Stattdessen war alles, was irgendein Protagonist sagte, kursiv gesetzt. Seltsam, aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran.
Daraufhin meinte meine Freundin, das sei doch ein ganz prima Ansatzpunkt für eine Geschichte. Die beiden befinden sich irgendwo, wo sich auch ein Telefon befindet, das nicht eindeutig einem der beiden zuordenbar ist – es handelt sich also nicht um ein Szenario wie „A und B sitzen zusammen und ihre Mobiltelefone liegen auf dem Tisch und eins fängt an zu klingeln“ oder „A ist bei B zu Besuch und deshalb ist für das klingelnde Telefon im Wohnzimmer eindeutig B zuständig“. Sie schlug mir als Beispiel vor: „A und B befinden sich in einem Hotelzimmer und das Hoteltelefon klingelt“. Und weiter: „Beide stürzen sich spontan auf das klingelnde Telefon, und das löst... etwas aus, wodurch wir etwas Neues und Interessantes über eine der beiden Figuren erfahren.“
Ich grübelte eine Weile herum (warum sind die beiden im Hotel, wer ruft da an, und was zum Geier könnte durch sowas ausgelöst werden?) und hatte schließlich ein Szenario, in dem erstens A und B auf halbwegs plausible Weise in ein Hotelzimmer geraten und zweitens das Telefonklingeln tatsächlich etwas auslöst, wodurch wir etwas Neues und (hoffentlich) Interessantes über eine der beiden Figuren erfahren.
Ich hatte ja schon mal erwähnt, daß mir diese beiden Figuren (und die grundsätzliche Handlung einiger Geschichten) mehr oder weniger spontan und komplett eingefallen sind. So habe ich bei der Figurenentwicklung meist nicht das Gefühl, mir jetzt etwas Neues über A oder B auszudenken, sondern eher, A und/oder B jetzt näher kennenzulernen. (Habe ich wohl auch schon mal erwähnt.) Einmal hatte ich sogar ganz deutlich den Eindruck, daß mir ein bestimmtes Detail aus der Vergangenheit von A gerade jetzt einfällt, weil A mich jetzt gut genug kennt und mir hinreichend vertraut, um mir diese Sache anzuvertrauen. Ich weiß nicht, ob das professionellen Schriftstellern öfters passiert; für mich war es jedenfalls eine völlig neue (und ziemlich seltsame) Erfahrung... Ich wußte zwar schon, daß das manchmal Leuten passiert, die sich (beispielsweise für einen Fantasyroman oder für ein Rollenspiel) eine neue Kultur ausdenken – von denen hört man manchmal solche Sachen wie „und letzte Woche habe ich entdeckt, daß es in dieser Kultur die-und-die Sitte oder das-und-das Tabu gibt“ –, aber mit Einzelpersonen...? Das war für mich, wie gesagt, ein völlig neues Phänomen.
Und jetzt habe ich durch die Sache mit dem Hoteltelefon gemerkt, daß zwischen A und B eigentlich schon seit ihrer ersten Begegnung (die Hotelgeschichte spielt über ein Jahr danach) ein Konflikt schwelt, der noch nie direkt angesprochen wurde. Dieser Konflikt ist eigentlich kein besonders großer oder schlimmer (das ist wohl auch der Grund, warum sie ihn noch nie angesprochen haben), aber auch kleine Konflikte können sich ja zu großen und schlimmen entwickeln, wenn man sie ein paar Jahre lang auf kleiner Flamme köcheln läßt. (In „The Joy Luck Club“ (dem Buch, nicht dem Film) wird, wenn ich mich recht entsinne, an einer Stelle eine vernarbte Wunde, wo sich unter der Haut eine Entzündung entwickelt, als Metapher für so etwas Ähnliches benutzt.)
Aber jetzt haben sie es ja angesprochen und – hmm, ich weiß nicht, ob sie den Konflikt tatsächlich gelöst haben, aber wenigstens ist ihnen jetzt bewußt, daß er existiert, und können sich darauf einstellen.
Und weil ich es bin, die die Geschichte schreibt, artete das Ganze danach dann in Terminologiearbeit aus. :-)
Eigentlich hatte ich geplant gehabt, daß die Geschichte mit dem Hoteltelefon ungefähr so verläuft: A und B sind im Hotel. Rückblende: Wie und warum A und B ins Hotel gekommen sind. Zurück in der Gegenwart: Das Telefon im Hotelzimmer klingelt. Beide stürzen hin. Weil A aus bestimmten Gründen, die in der Geschichte dargelegt werden, der Meinung ist, sozusagen einen größeren Anspruch auf das Telefon (bzw. das Ans-Telefon-Gehen) zu haben, löst das einen Konflikt aus, der schließlich dazu führt, daß A einen Gefühlsausbruch hat und dabei diesen unter der Oberfläche schwelenden Konflikt anspricht (den B noch gar nicht bewußt mitbekommen hatte). B tröstet A und sie sprechen sich aus. Letzte Szene: Alles ist wieder in Ordnung, oder zumindest für geeignete Werte von „alles“ und „in Ordnung“. Zumindest sind die Wogen geglättet, A hat sich beruhigt und sie vertragen sich wieder.
Aber mit diesem Schluß war ich nicht so ganz glücklich, weil er etwas arg abrupt kam und die beiden sich meiner Meinung nicht ausreichend ausgesprochen hatten. Also beschloß ich, auch noch etwas darüber zu erwähnen, daß sie am nächsten Tag das Thema, das dem Konflikt zugrundeliegt, ausdiskutieren. Daher schlug ich einige relevante Begriffe in diversen Wörterbüchern nach (man will ja wissen, worüber man seine Figuren reden läßt) und stellte fest, daß es da bei einem ganz zentralen Begriff ziemlich hapert: In allen von mir konsultierten Wörterbüchern (online und offline) drehten sich die Definitionen im Kreise. „<Substantiv> = eine Sache, die (oder ein Ereignis, das) <Adjektiv> ist.“ „<Adjektiv> = die Eigenschaft von <Substantiv>.“ (Beziehungsweise auf englisch: „<Adjektiv> = of or pertaining to <Substantiv>.“)
Herzlichen Dank auch. :-P
Also mußte ich mich selber hinsetzen und Terminologiearbeit betreiben. <seufz> Gut, macht ja nichts, so etwas habe ich ja sogar schon auf professioneller Ebene betrieben und weiß daher, daß ich es kann...
Das gab meiner Geschichte dann glücklicherweise auch etwas neuen Schwung. Denn jetzt können meine Protagonisten außer über das Thema selber auch darüber reden, daß dieses Thema auch deshalb problematisch ist, weil selbst die Lexikographen anscheinend nicht wissen, was das ist. So basteln sie sich in ihrer Diskussion dann nach und nach die Definition zusammen, auf die ich schließlich gekommen bin. ;-)
Was den Vorteil hat, daß die Diskussion jetzt eine etwas besser spezifizierten Verlauf als „wir haben ein Problem, bla bla, wir haben eine Lösung“ nimmt. :-)
Und davon handelt jetzt Geschichte Nummer 12. Die befindet sich allerdings noch im Planungsstadium, oder eigentlich sogar am Anfang des Planungsstadiums. Ich habe eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie im allgemeinen Zeitverlauf (zwischen den anderen Geschichten) einzuordnen ist, aber immerhin habe ich ein Thema, und auch noch eins, das vermutlich für mehr als nur eine einzige Geschichte gut sein wird: Diagnose, Therapie, Auswirkungen auf den Alltag, Auswirkungen auf die andere Hauptperson (und diverse Nebenfiguren)...