Montag, 23. August 2010
Was bin ich heute aber wieder konspirativ...
Themen: Computer, Politik
Soeben erfahre ich aus dem Law Blog, daß ich anscheinend zwei der drei Kriterien erfülle, durch die man (zumindest laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf) zum Superkriminellen wird. (Gut, der Ausdruck „superkriminell“ stammt nicht vom Staatsanwalt, sondern vom sarkastischen Verteidiger, aber das Wort gefällt mir halt. ;-))

In dem beschriebenen Verfahren geht es um ein nicht näher bezeichnetes Computerdelikt. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, der Angeklagte habe mit „erhöhter krimineller Energie“ gehandelt und sei „extrem konspirativ“ vorgegangen.

Wie das der gute Mann gemacht hat? Er hat auf seinem Rechner
  1. TOR,
  2. TrueCrypt sowie
  3. CCleaner
installiert gehabt.

Hmm, mal nachzählen:
  1. TOR habe ich ebenfalls. Habe ich hier im Blog ja auch schon ein paarmal erwähnt.
  2. TrueCrypt habe ich auch. Das habe ich hier allerdings noch nie erwähnt. Bin ich jetzt extra-konspirativ? <grübel>
  3. CCleaner war mir bis gerade eben allerdings völlig unbekannt gewesen.
Da kann man als sicherheitsbewußte Computerbesitzerin, wie ich es bin, nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ich brauche nur noch ein einziges Programm, um mein Online-Verhalten als „konspirativ“ bewertet zu bekommen? Wenn ich jetzt also ein Verbrechen begehen sollte, das irgend etwas mit meinem Rechner zu tun hat, bestünde ein realistisches Risiko, daß man mir nicht nur normale, sondern sogar erhöhte kriminelle Energie zuschreibt? Und nur deshalb, weil ich mich bemühe, meine Online-Privatsphäre vor Online-Fieslingen zu schützen?

Wie gut, daß CCleaner ein Windows-Programm ist. So kann ich wenigstens sicher sein, daß es nicht versehentlich auf meinem Rechner landet. Denn auf meinen diversen Linux-Systemen würde es ja sowieso nicht laufen. ;-)

Und jetzt erzähl’ mir bitte niemand etwas von WINE. Laut Produktbeschreibung macht CCleaner lauter Sachen, für die ich mir keine neue Software installieren muß, weil mein Rechner die sowieso schon kann. Installierte Programme rückstandslos deinstallieren? Das macht bei mir die ganz normale Debian-Softwareverwaltung dpkg, also genau dieselbe Software, mit dem ich die Programme vorher installiert habe. Unbrauchbare und nutzlose Dateien finden? Das klingt verdächtig nach dem Zweck, zu dem ich cruft habe, was bei mir übrigens genau wie die Softwareverwaltung zum Betriebssystem (bzw. zur Distribution) gehört. Löschen von History und Cookies des Browsers? Ist mir völlig neu, daß man dazu extra Software installieren muß; in meinem Firefox ist das eingebaut. Allerdings muß ich der Vollständigkeit halber erwähnen, daß ich nicht die Cookie-Lösch-Funktion des Browsers benutze, sondern ein nettes Add-on namens CookieCuller, weil es damit viel komfortabler geht. Aber die Grundfunktionalität ist bei mir, wie gesagt, schon im Browser drin.

Dazu brauche ich also gar nicht CCleaner in einem Windows-Emulator laufen zu lassen. Das kann mein Rechner alles schon. Aber das bedeutet auch...

Oooooooh Mist, ich bin VERDÄCHTIG... ;-)

Also, ich kann ja noch verstehen, daß jemand auf die Idee kommt, jemand, der TOR und TrueCrypt benutzt, könnte womöglich etwas im Schilde führen. Aber daß jemand, der Software rückstandslos deinstallieren will und/oder seine Cookies ab und zu löscht, noch mehr im Schilde führen könnte, darauf muß man erst einmal kommen. <kopfschüttel>

Was kommt als nächstes? Ein Staatsanwalt, der das Tragen eines breitkrempigen Hutes beim Spazierengehen (= will nicht erkannt werden) oder den Besitz einer nicht im Telefonbuch aufgeführten Nummer (= will nicht gefunden werden) als „konspiratives Verhalten“ auslegt? Oder den Besitz einer E-Mail-Adresse, die nicht dem Schema „Vorname.Nachname@provider“ entspricht (= will nicht erkannt werden, sozusagen ein breitkrempiger Hut für die Online-Spaziergänge)? <kopfschüttel>

Ich glaube, ich gehe mich erst einmal eine Weile unter meinem breitkrempigen Hut verstecken, bis ich mich wieder beruhigt habe...

Und dann gehe ich – samt breitkrempigem Hut, denn heute scheint die Sonne, da brauche ich das Ding bzw. vor allem die Krempe – mal raus vor die Tür und zum Briefkasten, ein paar Postkarten abschicken. Ganz unverschlüsselt. Stehen allerdings auch nur total banale Sachen drauf.

Einer der Leserkommentare im Law Blog bringt es übrigens auf den Punkt: Man sollte diesen Staatsanwalt mal fragen, ob er denn nicht selber TrueCrypt oder ein anderes Tatverschleierungs-, äh, ich meine natürlich: Verschlüsselungstool auf seinem Dienst-Laptop hat. Und falls er das verneint, sollte man ihn fragen, inwieweit er es mit seiner dienstlichen Sorgfaltspflicht vereinbaren kann, vertrauliche Daten wie z. B. dienstliche Dokumente oder E-Mails unverschlüsselt spazierenzutragen... <fiesgrins>