Sonntag, 8. August 2010
Posttherapie
Themen: Neuro-Psycho, Postcrossing
Muß ich schnell zum Patent anmelden, bevor’s ein anderer tut.

Seit ich Mitglied bei Postcrossing bin, also innerhalb der letzten paar Wochen, hat sich meine Einstellung zum Post-Bekommen grundlegend geändert.

Früher hat es mir immer etwas gegraut, wenn ich den Briefträger die Treppe heraufkommen hörte. (In finnischen Mehrfamilienhäusern mit nicht allzu vielen Stockwerken – unser Haus hat derer drei – gibt es keine Briefkästen in der traditionellen Kastenform, sondern die Wohnungstüren haben Briefschlitze.) Oder wenn ich (falls ich zu der betreffenden Uhrzeit – früher Nachmittag – nicht daheim war) beim Heimkommen die Tür aufsperrte und mich fragte, was mich heute wohl erwartete.

Denn ich bekam eigentlich nur zwei Arten von Post:
  1. Werbesendungen. (OK, die sind nicht unbedingt negativ, aber auch nicht unbedingt etwas, worauf ich mich jeden Tag freuen könnte: Juhu, im Bauhaus gibt’s Rasenmäher im Angebot! Oder: Juhu, schon wieder ein neuer Pizzaservice in unserem Viertel, die schon vorhandenen siebenunddreißig schaffen es ja nicht alleine, uns ordentlich zu füttern! – Oder wie man sich solche Freude sonst vorstellen sollte.)
  2. „Offizielles“; also Rechnungen, Post von Ämtern und so weiter. Das waren die Sachen, vor denen ich mich richtig gruselte (und immer noch grusele). Vor den Rechnungen inzwischen nicht mehr so sehr wie früher, da ich durch langjährige Erfahrung gelernt habe, daß die Rechnungen, die ich üblicherweise bekomme, entweder über einen Fixbetrag (Internetanschluß, Versicherungen) oder zumindest einen mir schon vorher bekannten Betrag gehen (Bestellungen z. B. bei Amazon) oder über einen zwar ständig etwas wechselnden, aber immer relativ niedrigen Betrag (Telefon, Strom). Briefe von Ämtern jagen mir allerdings immer noch zuverlässig einen großen Schrecken ein; sogar die (fast) alljährliche Benachrichtigung über meine Einkommenssteuer-Rückvergütung... Und auch Briefe von meiner Bank erschrecken mich jedes Mal aufs neue, auch wenn ich weiß, daß da meistens sowieso nur mein aktueller Kontoauszug drin ist, also quasi die in Papier gegossene Version von Informationen, die ich (dank E-Banking) sowieso schon hatte.
Gut, außerdem bekomme ich noch einmal im Monat die Mitgliederzeitschrift vom Bund der Steuerzahler, aber soooo toll ist die nicht, daß ich mich da jeden Monat aufs neue drauf freuen könnte. Sie fällt eher in die Kategorie „nicht gruselig“, also ungefähr wie diejenigen Werbesendungen, die ich nicht unbesehen wegwerfe.

Ein guter Tag war einer, an dem ich entweder gar keine Post bekam oder zumindest nur Werbesendungen. Oder meinetwegen diese Steuerzahler-Zeitschrift.

(Daß bei dieser Betrachtungsweise die meisten Tage „gute Tage“ sind, bedeutet leider nicht, daß mir nicht trotzdem jedesmal, wenn ich den Briefträger kommen hörte bzw. beim Heimkommen die Tür aufschloß, etwas bang zumute wurde.)

Aber jetzt ist alles anders. Denn jetzt bekomme ich ja noch eine dritte Art von Post, nämlich Postkarten aus aller Welt. :-)

Jetzt ist ein guter Tag nicht mehr einer ohne Post, sondern einer, an dem ich eine Postkarte bekomme.

Und inzwischen freue ich mich fast jeden Tag auf die Post. Heute, Sonntag, habe ich mich sogar dabei erwischt, daß ich mich darüber ärgerte, daß ich heute keine Post bekommen würde.

Nicht schlecht für eine Angstneurotikerin, der es bis vor kurzem noch jeden (Werk-) Tag vor der Post graute. Oder? :-)

So einfach kann es manchmal sein...

Inzwischen habe ich übrigens schon neun Karten verschickt (von denen fünf auch schon angekommen sind) und sechs bekommen.

(Das Ganze erinnert mich ein bißchen an den Fall einer Bekannten, die als Kind fürchterliche Angst vor Hunden hatte – bis sich Freunde von ihr einen Tibet-Terrier zulegten. Diese Rasse ist unglaublich freundlich und unglaublich verspielt und sieht außerdem aus wie ein Wollknäuel auf Beinen; eine von diesen Hunderassen, wo man vorne und hinten am besten daran unterscheiden kann, daß nur eins der beiden Enden wedelt. Durch den Kontakt mit diesem Hund hat sie ihre Angst vor Hunden sehr schnell verloren, und inzwischen hat sie selber einen Hund.)

Aaaaah, Posttherapie... sollte ich vielleicht schnell zum Patent anmelden, bevor’s ein anderer tut... Tibet-Terrier-Therapie ebenfalls. ;-)