Samstag, 27. Dezember 2008
Linguistische Paranoia...?
Themen: Sprachen
Daß es im Finnischen von Lehn- und Fremdwörtern nur so wimmelt, war mir ja schon bekannt, bevor ich anfing, Finnisch zu lernen. (Jeder Indogermanist und Altgermanist kennt mindestens zwei finnische Wörter: „kuningas“ und „rengas“, in denen alte Formen der deutschen Wörter „König“ und „Ring“ sozusagen eingefroren sind. Diese beiden sind natürlich nicht die einzigen, aber anscheinend die bekanntesten, denn von den anderen offensichtlichen Kandidaten – „taivas“, „sairas“, „kaunis“, „rauta“, „äiti“, „vuokra“ usw. usf. – hat mir bis jetzt noch kein Vertreter der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft etwas erzählt. Die mußte ich alle selber finden. <grummel> <enttäuschttu>)

Im Finnischen gibt es etliche mehr oder weniger klar identifizierbare Lehnwortschichten: zuerst eine ganz uralte, die auf Kontakte zwischen Ur-Finnougrisch- und Ur-Indogermanisch-Sprechern hinweist (dazu gehören unter anderem die Wörter nimi „Name“ und tuoda „bringen“); dann eine indoiranische (zu der unter anderem die Wörter sata „hundert“, porsas „Schwein“ und sama „der/die/dasselbe“ gehören); irgendwann kommt dann eine gemeingermanische, aus der die meisten der ganz oben genannten Wörter stammen; später kommen dann noch ein paar andere germanische (Gotisch, Schwedisch) und eine baltisch-slawische. Und wenn man weiß, worauf man achten muß, kann man sie auch recht gut erkennen (und nervt dann seine Umwelt z. B. beim Einkaufen mit der plötzlichen und lautstarken Erkenntnis: „Kaura ist doch ganz offensichtlich dasselbe Wort wie Hafer! Ja, ich glaube, ich kaufe mir eine Packung Hafer–, äh, ich meine natürlich Kauraflocken!“).

Dabei hat das Finnische ein paar Überraschungen parat; Wörter wie „Mutter“ oder „und“ oder „er/sie“ werden normalerweise ja eher nicht von einer Sprache in die andere entlehnt, aber das Finnische hat die ersten beiden (äiti bzw. ja) aus dem Gotischen und das dritte (hän) aus dem Schwedischen oder einer anderen nordgermanischen Sprache übernommen.

Manchmal stoße ich aber auf Wörter, die mich dazu bringen, mal wieder Mark Rosenfelders Text über die Wahrscheinlichkeit von zufälligen Wortähnlichkeiten herauszukramen.

Beispielsweise stellte ich durch puren Zufall bei einem Blick in ein lateinisches Wörterbuch (ich weiß nicht mehr, was ich damals konkret suchte, aber offenbar fing’s mit dem Buchstaben C an) fest, daß das finnische Wort für einen Alkoholkater, „krapula“, erstens anscheinend aus dem Lateinischen stammt (wo man es crapula schreibt) und zweitens anscheinend aus der Studentensprache ins Allgemein-Finnische eingedrungen ist. (Bei lateinischstämmigen Wörtern liegt dieser Schluß ja nahe, vor allem, wenn es um so typische studentische Aktivitäten wie alkoholhaltige Feten geht.)

Nun gut, studententypische Aktivitäten, lateinische Bezeichnungen dafür, das mag ja noch sein. Sowas kenne ich ja auch noch von meinem Vater (der war korporiert).

Aber dann liefen mir innerhalb weniger Tage noch zwei solche Wörter über den Weg:
  • „ansa“ heißt auf finnisch „Falle“ und auf lateinisch „Schlinge“. Leider stand im Lateinwörterbuch nicht dabei, ob es sich um eine Fangschlinge oder irgendeine andere Art von Schlinge (Schlaufe, Schleife, Handgriff, Verknotung oder was auch immer) handelt.
  • „aisti“ heißt auf finnisch „Sinn“ oder „Sinneswahrnehmung“ und sieht der vorderen Hälfte des griechischen Wortes „αισθάνομαι“, das soviel wie „fühlen“ oder „wahrnehmen“ bedeutet, verdächtig ähnlich.
Hmm... <grübel> <Rosenfelder rauskram>