Dienstag, 14. April 2009
Wahlwiederholung
Themen: Politik, Finnland, Computer, Usability
Die finnische Kommunalwahl im letzten Herbst, bei der ein paar hundert Stimmen von Wahlcomputern nicht mitgezählt worden waren, wird nach einer Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts in den betroffenen Kommunen wiederholt. Hier der genaue Wortlaut der Entscheidung, die es leider nur auf finnisch zu geben scheint (mit einer kurzen Zusammenfassung in Schwedisch – hmm, vielleicht sollte ich mich mal beschweren, weil mich sowas in meinem von der Verfassung garantierten Recht auf zweisprachige Behördenkommunikation einschränkt?). Bei Heise gibt es eine gute Zusammenfassung auf deutsch.

Hier ein paar Sachen, die ich interessant fand:
  • Das Problem war ja, daß man seine Stimme durch das zweimalige Drücken eines „OK“-Buttons bestätigen mußte und manche Leute da anscheinend nur einmal gedrückt hatten (so daß der Computer ihre Stimmen als „nicht bestätigt“ betrachtete und verwarf). Bis jetzt hatte ich gedacht, das wäre einfach nur exorbitant schlechtes Design (ein klarer Verstoß gegen die Regel, daß man den Benutzern das Leben nicht unnötig schwermachen sollte – wozu zwei Bestätigungen verlangen, wenn es auch mit einer geht?). Jetzt habe ich herausgefunden, daß es sich außerdem um einen Verstoß gegen das Wahlgesetz handeln könnte – der Paragraph, in dem das Verfahren zur Stimmabgabe per Computer festgelegt wird, kann nämlich so interpretiert werden, daß eine einmalige Bestätigung der Stimmabgabe ausreichen sollte. (So hatten das auch die Leute verstanden, die die Gebrauchsanweisung geschrieben hatten, die die Wähler anscheinend in die Hand gedrückt bekamen; wozu ich, die ich mein Geld seit Jahren mit dem Verfassen von Gebrauchsanweisungen verdiene, nur sagen kann: Wer ernsthaft der Meinung ist, daß eine Gebrauchsanweisung auch ohne Test (= man setzt sich mit der Gebrauchsanweisung an das darin beschriebene Gerät und stellt sich vor, man hätte keinerlei Vorkenntnisse) veröffentlicht werden kann, ist anscheinend noch nicht besonders lange dabei.)
  • Das hohe Gericht ist anscheinend nicht der Meinung, daß der Einsatz von Wahlcomputern irgendwie den Geheimheitsgrundsatz der Wahl verletzen könnte. Ach ja? Irgendwie bezweifle ich, daß Wahlcomputer so abgeschirmt (oder durch andere Maßnahmen geschützt) sind, daß die beispielsweise hier oder hier beschriebenen Abhörmethoden nutzlos wären. Die meisten Behörden schaffen es ja anscheinend noch nicht einmal, vertrauliche Daten auf nicht am Internet hängenden Rechnern aufzubewahren; und in einigen der Wahllokale, die der CCC letzten Herbst in Brandenburg zwecks Wahlbeobachtung besucht hat, haben sich die Leute, die die Wahlcomputer und -kabinen aufgestellt haben, nicht gerade mit datenschutztechnischem Ruhm bekleckert, also bin ich eher skeptisch. (Und jetzt sage bitte niemand „aber es würde doch auffallen, wenn vor dem Wahllokal einer mit einer Antenne in der Hand herumlungern würde“; zumindest das Wahllokal in meinem Wahlkreis befindet sich üblicherweise im Nebengebäude einer Schule mitten im Wohnviertel, und wenn da jemand mit einer Antenne in der Hand nicht vor dem Wahllokal, sondern in seiner Wohnung hinter einem Vorhang herumlungern würde, würde das, glaube ich, nicht besonders auffallen. Womit ich natürlich keinem der Anwohner unterstellen will, ein Spion zu sein... ich meine nur: wenn da ein Spion wohnen würde, dann könnte der da womöglich ein paar interessante Daten abgreifen. Rein theoretisch.)
    In dem Gerichtsbeschluß wird unter der Überschrift „Vaalisalaisuus“ (Wahlgeheimnis) nur erwähnt, daß aufgrund der Konstruktion des Geräts kein einzelner Wahlhelfer allein an den Speicher des Wahlcomputers herankäme (und dann hineinschauen könnte, wer wie gewählt hat). Ergo ist das Wahlgeheimnis sicher. Oder so ähnlich. – Naja gut, das könnte auch daran liegen, daß bei der Beschwerde eventuelle Verletzungen des Wahlgeheimnisses eine eher untergeordnete Rolle spielten (eigentlich ging es ja um die zweihundertnochwas „verschwundenen“ Stimmen).
Nachtrag: In Finnland waren die Wähler ja durch diesen Button, auf den man zweimal drücken mußte, „nur“ verwirrt. In den USA wurde etwas Ähnliches schon für Wahlbetrug ausgenutzt. Von der Wahl-Software, die dort lief, gab es anscheinend zwei Versionen: eine, bei der man durch das Drücken des „Vote“-Buttons seine Stimme bestätigte (und damit fertig war), und eine, bei der sich durch das Drücken des „Vote“-Buttons eine Dialogbox „Stimme bestätigen ja/nein“ (oder so ähnlich) öffnete, wo man dann noch einmal bestätigen mußte. Und in einigen Wahlkreisen, in denen die zweite Version („Vote“ → „Bestätigen“ → fertig) eingesetzt wurde, haben Wahlhelfer absichtlich Gebrauchsanweisungen für die erste Version („Vote“ → fertig) verteilt, so daß eine Menge Stimmen nicht registriert wurden. Details gibt es (auf englisch) in Bruce Schneiers Blog.

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