Mittwoch, 13. April 2011
Die unendliche Geschichte von den Live-USB-Sticks
Themen: Neuro-Psycho, Computer
Ich war ein paar Tage lang mehr oder weniger komplett offline. Eigentlich fast genau seit dem letzten Blogeintrag...

Jaaaa, ich hatte mir mal wieder mein System kaputtkonfiguriert. Diesmal allerdings auf ganz besonders kreative Weise, nämlich beim Versuch, es auf einem zweiten Medium zu installieren. Also bei einer Aktion, bei der man nicht unbedingt vorher drauf gekommen wäre, daß man hinterher nicht etwa ein System mehr hat als vorher, sondern zwei USB-Sticks, die beide nicht booten wollen.

Nun gut. Glücklicherweise gab es in meiner CD-ROM-Sammlung noch eine ältere Ubuntu-Version, die tatsächlich booten wollte (seltsamerweise hängten sich die neueren Ubuntu-CDs beim Booten jedesmal auf) und die dann auch mein Modem erkannte. So kam ich dann doch noch ins Netz und konnte die neueste Version (die hatte ich nur auf einer dieser nicht booten wollenden CD-ROMs vorliegen – ach ja, und auch auf zwei nicht booten wollenden USB-Sticks) über Nacht herunterladen und am Sonntag mein altes System in Handarbeit rekonstruieren. Zum Glück waren meine Backups up to date.

Wenn gerade meine gesamte (nicht eben üppige) Bandbreite von Software-Downloads in Anspruch genommen wird, ist leider nichts mehr übrig, womit ich beispielsweise surfen oder gar bloggen könnte... :-(

(Wie „nicht üppig“ meine Bandbreite ist, sieht man schon daran, daß ich solche Sachen wie CD-Images über Nacht herunterlade. Aber ich schweife ab. Immerhin ist der Anschluß nicht so furchtbar teuer, hat einige mir sehr genehme Eigenschaften (<träller> drahtloses Modem) und ist in Situationen, in denen ich nicht gerade irgendwelche ISOs herunterlade, also eigentlich meistens, definitiv schnell genug. Also habe ich eigentlich nicht besonders große Lust, mich darüber jetzt groß aufzuregen.)

Ach ja, und außerdem habe ich in diesen Tagen gelernt, daß man, wenn man den Rechner von einer CD-ROM gebootet hat, mit diesem Rechner bzw. diesem Laufwerk dann keine DVDs gucken kann, solange das auf der CD-ROM befindliche System am Laufen ist. Wenn ich’s recht bedenke, war das ja einer der Gründe gewesen, warum ich mir seinerzeit meine sämtlichen Live-CDs auf diverse USB-Sticks verschoben hatte... Der Samstagnachmittag war ja noch von hektischer Aktivität (Hilfe, wie komme ich bloß ins Internet?) geprägt gewesen; der Sonntag war so ganz ohne DVDs sehr, sehr langweilig. ;-) Im Englischen gibt es eine Redewendung, die in etwa besagt, daß <irgendeine langweilige Sache> so langweilig ist, wie wenn man Farbe beim Trocknen zuguckt. Genausogut könnte man sagen: so langweilig, wie wenn man einem größeren Softwareupdate beim Runterladen zuguckt.

Aber jetzt ist das System wiederhergestellt. Und in mancher Hinsicht sogar schöner und besser, als es vorher war. :-) Und das optische Laufwerk ist wieder frei... <freu>

Nur TOR weigert sich noch, mit Firefox zu kommunizieren (oder womöglich umgekehrt). Aber das kriege ich auch noch hin.

Und jetzt habe ich mal wieder einiges Interessante über Speichermedien und Partitionen und dergleichen gelernt... unter anderem, daß man für eine halbwegs benutzbare (und halbwegs hübsche) Linux-Installation noch wesentlich weniger Platz braucht, als ich gedacht hatte. Bis jetzt habe ich (für gerade aktuelle Distributionen und Versionen) immer mit Größenordnungen von 15–20 GB kalkuliert. Jetzt habe ich aber ein halbwegs benutzbares und halbwegs hübsches (und topaktuelles) Ubuntu auf eine Partition mit nur 6 GB gequetscht, und davon sind sogar noch knapp 2 GB frei... Und nein, ich habe kein komprimiertes Dateisystem benutzt (squashfs und wie die alle heißen), sondern ein ganz banales ext3.

Jeeeeeee, Spaß mit Technik... :-D

(ObDepression: Ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man merkt, daß man solche komplexen Sachen wie „Hilfe, ich habe mein System kaputtkonfiguriert!“ relativ problemlos löst und gleichzeitig so scheinbar einfache Sachen wie „will ich mir heute zum Mittagessen eine Tütensuppe kochen?“ bestenfalls zu endlosen Grübeleien („Tütensuppe ‚Huhn‘ oder Tütensuppe ‚Pilz‘? Ist ja eigentlich beides lecker“) und schlimmstenfalls zu Panikattacken („ARRRGH! HUHN ODER PILZ ODER HUHN ODER PILZ ODER ARGLARGLARGL HILFEEEE...“) führen...)

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Mittwoch, 4. August 2010
Anti-Depressions-Kleidung?
Themen: Neuro-Psycho, Computer
Heise berichtet (hier und hier) von zwei Forscherteams (eins in Montreal, eins in London), die an Kleidungsstücken arbeiten, die „die Stimmung des Trägers ermitteln können und darauf dann passend reagieren“. Das soll so funktionieren, daß in die Kleidungsstücke eingebaute Sensoren Meßwerte ermitteln (Körpertemperatur, Herz- und Atmungsfrequenz usw.), die dann an einen Server gefunkt werden, der daraus den aktuellen Gemütszustand der betreffenden Person berechnet und an das Kleidungsstück zurückfunkt, damit das entsprechend reagieren kann.

Mit „reagieren“ ist hier gemeint: Wenn als aktuelle Stimmung Trübsal o. ä. ermittelt wird, soll das Kleidungsstück vorher vom Benutzer einprogrammierte Dinge tun, die den Benutzer (also den Träger der Kleidung) aufheitern sollen. Als Beispiele werden genannt: bestimmte Musik spielen, bestimmte Fotos zeigen, bestimmte Texte sprechen oder anzeigen (die Kleidungsstücke sollen eingebaute Lautsprecher und Mini-Bildschirme haben).

Eine Forscherin aus dem einen der Teams sagt laut Heise, die wichtigste Nutzungsmöglichkeit solle die Bekämpfung von Einsamkeitsgefühlen sein und mit der Kleidung solle es möglich sein, beispielsweise die Erinnerung an eine Person wachzurufen, die gerade nicht bei einem ist.

Soweit, so gut.

Als sozusagen Halb-Betroffene mache ich mir dazu natürlich meine eigenen Gedanken. ;-)

(Halb-Betroffene? – Meine klinische Depression prädestiniert mich sozusagen zu Einsamkeitsgefühlsattacken, mein Asperger dagegen prädestiniert mich zum Mich-allein-am-wohlsten-Fühlen. Allerdings hindert mich Letzteres natürlich nicht daran, dann und wann mal bestimmte Personen zu vermissen; es hindert mich nur daran, ganz allgemein Gesellschaft („ich muß jetzt unbedingt unter Leute gehen, hier so ganz allein fällt mir die Decke auf den Kopf!“) zu vermissen. Ja, mein Leben ist kompliziert.)

Zuallererst mal: Wenn ich mich mal irgendwie melancholisch fühle, ist so ziemlich das Letzte, was ich will, daß meine Hose (oder meine Jacke oder was-weiß-ich) auf einmal anfängt, mir fröhliche Musik vorzuspielen. Jedenfalls nicht ohne Vorwarnung bzw. ohne mich vorher zu fragen („Die Sensoren haben festgestellt, daß du gerade traurig bist; soll ich dir eine Mozart-Symphonie vorspielen?“). Und in der Öffentlichkeit am liebsten überhaupt nicht.

(Zum Thema „Kleidungsstück spielt in der Öffentlichkeit seinem Träger Musik vor“ hat sich ein Heise-Leser in den Kommentaren folgendes Szenario ausgedacht: Jemand sitzt in der Straßenbahn und ist gerade gut gelaunt. Sein „intelligentes Kleidungsstück“ beschließt, daß man diese Stimmung unterstützen sollte, und spielt ihm fröhliche Musik vor. Leider hören die auch alle anderen in der Straßenbahn, und einem, der auch so ein „intelligentes Kleidungsstück“ trägt, fällt die Musik dermaßen auf die Nerven, daß seine Meßwerte sich stark genug verändern, daß seine Kleidung beschließt, dem mit eigener Musik entgegenzuwirken. So kommt es zu einem „Kampf“ zwischen den Kleidungsstücken bzw. den Lautsprechern, die sich gegenseitig zu übertönen versuchen, um ihre jeweiligen Träger in die gewünschte Richtung zu beeinflussen. Oje, sowas möchte ich lieber nicht miterleben.)

Zweitens: Als klinisch Depressive habe ich ja hinreichende Erfahrung mit Traurigkeitszuständen aller Art. Daher weiß ich auch, daß es keine eine Sache (ein Musikstück, eine Handlung usw.) gibt, die mir jedesmal hilft. Im Gegenteil – es gibt nicht nur viele verschiedene Sachen, die mir zu verschiedenen Zeitpunkten helfen können, sondern es ist sogar so, daß dieselbe Sache mir manchmal hilft und mich zu anderen Zeiten noch tiefer in die Depression hineindrückt. Oder eine kleine Angstattacke auslöst. :-( Wie soll aber die Software entscheiden können, welche der einprogrammierten Sachen sie mir vorlegen (zeigen, vorspielen) soll und welche lieber nicht?

Drittens fällt mir zum Thema „Erinnerung an Personen, die gerade nicht da sind“ noch ein, daß man auch da unterscheiden können muß. Ich weiß, wen ich gerade vermisse. Aber das Kleidungsstück...? Daß man an meiner Herz- oder Atemfrequenz oder meinem Blutdruck oder was auch immer ablesen kann, ob ich gerade meine Mutter vermisse (verstorben) oder meine beste Freundin (über 1000 km entfernt von mir wohnend) oder meinen Ex-Freund (seit fast 10 Jahren nicht gesehen, was weiß ich, wo der steckt) oder meine Kindheit (äh... ja), wage ich zu bezweifeln.

Und viertens: Manchmal wird die melancholische Stimmung ja auch mit Absicht herbeigeführt. Ja, manchmal sehe ich mir mit Absicht einen traurigen Film an oder höre mit Absicht traurige Musik. Jetzt würde es mich natürlich interessieren, ob sich die physischen Anzeichen dieser absichtlichen Melancholie (also das, was die Sensoren messen) deutlich genug von denen einer unabsichtlichen Melancholie („ich vermisse <wen auch immer>“, „ich habe gerade eine depressive Episode“) unterscheidet. Aber immerhin kann ich da als Benutzerin Mißverständnissen seitens der Software vorbeugen, indem ich das „intelligente Kleidungsstück“ einfach ausziehe, bevor ich z. B. eine meiner Witt- oder Julee-Cruise-CDs auflege.

Womit ich mich allerdings anfreunden könnte, wäre ein System, das irgendwie (ja, meinetwegen mit Sensoren und einer Datenbank, die „depressionstypische“ Herzfrequenz-Atemfrequenz-Körpertemperatur-Blutdruck-usw.-Kombinationen enthält) merkt, wenn ich depressiv werde, und mir dann diskret (nur für den Fall, daß ich mich gerade in einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit aufhalte) mitteilt: Kann es sein, daß du gerade traurig bist? Mach doch einen Spaziergang oder koch dir eine Tasse Tee oder leg was von Philip Glass auf... – Also ein System, das erstens meinen aktuellen Stimmungszustand nicht gegen meinen Willen in die Welt hinausposaunt und mich auch nicht durch das plötzliche Abspielen von Musik o. ä. erschreckt (egal, wie schön die Musik auch sein mag) und das zweitens berücksichtigt, daß ich entscheiden können muß, welche der vielen Sachen aus meinem „Werkzeugkasten“ (wie es mal ein Seelsorger nannte, mit dem ich über meine diversen Anti-Depressions-Methoden redete) gerade jetzt geeignet sein könnte, meine Stimmung zu retten...

Aber beim derzeitigen Stand der Technik sind das wohl Lösungen zu Problemen, die sich so noch gar nicht stellen. Bis auf weiteres werden diese Kleidungsstücke vermutlich so teuer (und vermutlich außerdem, selbst wenn ich ein riesengroßes Kleidungsbudget hätte, schwierig zu beschaffen) sein, daß man sich höchstens eins zulegen können wird, und das kann man ja nicht ständig tragen, nur für den Fall, daß einen im Laufe dieses Tages eine Depression überfällt. Und wenn man es doch ständig tragen will, steht man vor dem Problem, daß das Ding irgendwann auch mal in die Wäsche bzw. zur Reinigung muß... (Von der Problematik „Kleidungsstück mit eingebauter Sensortechnik reinigen, ohne die Sensoren zu beschädigen“ will ich gar nicht erst anfangen.) Also werde ich bis auf weiteres ganz bestimmt keine Jacke oder Hose oder sonstwas haben, die irgendwie aktiv versucht, mich vor depressiven Episoden zu schützen. :-)

(Gut. So muß ich mir jetzt auch noch keine Gedanken über die datentechnische Sicherheit der Kommunikation zwischen Kleidungsstück bzw. Sensoren und Server oder über Datenschutz bezüglich des Servers machen. Ich habe mich jetzt über Probleme aus der Sicht des depressiven Kleidungsträgers ausgelassen. Um die sicherheitstechnischen Aspekte werden sich sicher bald noch die üblichen Experten kümmern.)

Nachtrag 1: Beim Schreiben dieses Textes hatte ich die CD „Floating into the Night“ von Julee Cruise laufen und fühlte mich, ja, angenehm melancholisch.

Nachtrag 2: Beim nochmaligen Durchlesen des Textes fiel mir ein, daß eine meiner absoluten Lieblingsfolgen aus der Serie The West Wing (sowieso eine meiner absoluten Lieblingsserien) die Folge „Noël“ ist, obwohl da einige Szenen drin sind, die bei mir mehr oder weniger zuverlässig kleine Angstattacken auslösen. Dennoch handelt es sich um eine meiner Lieblingsfolgen; da geht es nämlich um posttraumatischen Streß (eine der gruseligen Krankheiten, die ich zum Glück nicht habe), und unter anderem werden bestimmte Symptome, die auch bei einer klinischen Depression und/oder einer Angstneurose auftreten, sehr gut beschrieben bzw. dargestellt. Also gucke ich mir diese Folge immer wieder gerne an, Angstattacken hin oder her. Wenigstens weiß ich, an welchen Stellen sie üblicherweise auftreten, und kann mich entsprechend vorbereiten... ;-)

Nachtrag 3: Meine derzeitige hauptsächliche Anti-Depressions-Maßnahme besteht übrigens in diesem sich entspannt sonnenden Meerschweinchen als Bildschirmhintergrund.

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