Mittwoch, 24. November 2010
Schneckentherapie (2)
Themen: Männer und Frauen, Postcrossing, Schnecken
Nach der goldigen Schneckenpostkarte von neulich habe ich gestern schon wieder eine interessante Schneckenpostkarte aus Finnland bekommen. Und wieder klebte diese Schneckenbriefmarke drauf, von der ich seinerzeit, als sie herausgegeben wurde, gar nichts mitbekommen habe.

Die Postkarte selber ist diesmal allerdings alles andere als jugendfrei. Meine Güte, was es alles gibt... Erotische Zeichnungen mit Schnecken-Thematik. Wer hätte das gedacht. Huijuijui.

Ich frage mich, was der Briefträger gedacht hat, als er diese Karte zustellte. Hoffentlich war er eher amüsiert als entsetzt. ;-)

Mich hat die Karte jedenfalls ziemlich aufgeheitert, als ich gestern abend ganz müde heimkam.

Nein, ein Bild werde ich nicht online stellen. Schließlich soll dieses Blog wenigstens halbwegs jugendfrei bleiben.

Wer das Bild sehen will (und sich alt und reif genug fühlt), kann es sich in der Wikipedia angucken. Einfach im Suchfeld die Stichwortkombination „Sweet Snail Franz von Bayros“ eingeben und bei den Suchergebnissen dann unter „Multimedia“ gucken. (Default ist „Inhaltsseiten“, da gibt’s dann eine Biographie des Künstlers; die ist natürlich auch interessant, aber bei „Multimedia“ geht’s direkt zum Bild.)

Seit gestern abend sitze ich nun vor diesem Bild und beschäftige mich medienkritisch damit. Einerseits ist das Bild natürlich (finde ich zumindest) einfach schön und ziemlich elegant. Das Bild ist von 1909, und ich mag Jugendstil. :-)

Andererseits mache ich mir als alte Feministin bei sowas natürlich immer Gedanken: Ist das jetzt frauenfeindlich? Oder eher männerfeindlich? Oder sowohl als auch? Oder weder noch? <grübel>

(Ich kenne einige Leute, die längst das Bild in ihr Blog gestellt und dazu eine Umfrage programmiert hätten: Ist dieses Bild (a) frauenfeindlich, (b) männerfeindlich, (c) schneckenfeindlich?)

Natürlich gibt es Leute, die bei der Darstellung von Nacktheit in egal welchem Kontext sofort „Sexismus!!“ schreien. Aber das sind wohl eher die Leute, die auch den Tieren im Zoo (bis hin zu den Fischen im Aquarium) am liebsten Höschen anziehen würden, weil Nacktheit ja irgendwie unanständig ist. Oder die auch solche Sachen wie abstrakte Gemälde mit Titeln à la „Nackte Aphrodite“ für anstößig halten, auch wenn man darauf nichts erkennen kann außer ein paar bunten Rechtecken. Denn bei dem Titel müssen diese Rechtecke ja irgendwie pornographisch (oder zumindest pornographisch gemeint) sein. Nicht wahr? – Oder so ähnlich.

Aber dieses Bild ist ja nicht abstrakt und bunte Rechtecke sind auch keine drauf. ;-)

Die Frau auf dem Bild ist so gut wie nackt, aber man sieht nix, da sie halb von hinten gezeichnet ist und einen Arm so hält, daß er... äh... das, was in dieser Stellung eventuell zu sehen wäre, ziemlich gründlich verdeckt. (Wenn man bedenkt, wann das Bild gezeichnet wurde, kommen einem natürlich solche Gedanken wie der, daß diese Darstellung dennoch unglaublich unzüchtig ist bzw. es damals war, weil damals vermutlich schon die Darstellung eines nackten Unterschenkels als pornographisch galt. Oder so ähnlich.)

Der Mann ist... wie soll ich sagen... auf ein einziges Körperteil reduziert. Äh... <rotwerd> eins, das sich so rein von der Form her mit etwas Phantasie als Schnecke darstellen läßt. Man könnte also sagen: Da wird der Mann auf eine einzige Komponente reduziert, nämlich den Geschlechtstrieb, und das ist total sexistisch (bzw. männerfeindlich). Umgekehrt könnte man auch sagen: Da wird die Welt so dargestellt, als ob Frauen nur zur Befriedigung männlicher Triebe da wären, und das ist total sexistisch (bzw. frauenfeindlich).

Außerdem kann man, wenn man will, in dem Bild eine gewisse Sado-Maso-Thematik erkennen. Dazu schreibe ich jetzt aber nichts Genaueres. <fiesgrins>

(Ich erlaube mir nur die kurze Bemerkung, daß gewisse Leute ja Sado-Maso-Sachen für per definitionem frauenfeindlich halten. Die stellen sich anscheinend vor, daß es da immer so läuft, daß irgendwelche hilflosen Frauen von irgendwelchen fiesen Männern gefesselt und ausgepeitscht werden oder so. Was diese Leute wohl von diesem Bild halten würden? Da ist nämlich eindeutig die Frau der dominante Partner... und ihr Partner macht einen sehr willigen Eindruck, es geht also definitiv nicht um das fiese Fesseln und Auspeitschen irgendwelcher hilfloser Männer. Oder Schnecken.)

Jedenfalls habe ich jetzt nach längerem Nachdenken beschlossen, daß man zwar, wenn man will, darin Sexismus der einen oder anderen Art entdecken kann, daß ich das aber nicht tue. Mir gefällt das Bild sehr gut; unter anderem deshalb, weil die Frau und, äh, ich sag jetzt mal: die Schnecke sehr zärtlich miteinander umgehen. Meiner Meinung wird da niemand von irgendjemandem unterdrückt. Im Gegenteil, die beiden scheinen sich gut miteinander zu verstehen. Ich könnte mich womöglich sogar zu einer Bemerkung wie „ooh, wie süß!“ hinreißen lassen.

Und außerdem gefällt das Bild mir natürlich wegen der Schnecken-Metaphorik... :-)

Und weil ich Jugendstil mag.

Aber meine Güte, was es alles für Postkarten gibt auf der Welt...

So, und damit endet diese Apologie der Schnecken-Pornographie. ;-)

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