Mittwoch, 16. September 2009
Impressionen vom Wahlkampf im Saarland
Themen: Politik, Deutschland
Es findet ja nicht nur bald eine Bundestagswahl statt; im Saarland lief im August, also während ich dort war, der Landtags-Wahlkampf auf vollen Touren.

Natürlich war Politik ein wichtiges Gesprächsthema: und, wen willst du wählen? kann man Politiker X überhaupt noch wählen? findest du Wahl-Werbespruch Y auch so bescheuert? usw. usw.

Eines Tages saß ich mit einem Bekannten zusammen, der früher mal „schon immer“ SPD-Mitglied gewesen war, dann wegen der Agenda 2010 ausgetreten war und seitdem eigentlich nur noch protestgewählt hatte (in seinem Fall heißt das: mal links, mal rechts, aber immer eine relativ kleine und relativ radikale Partei). Man kann sich also meine Überraschung vorstellen, als er seine Bierflasche mit einem Flaschenöffner öffnete, auf dem ein CDU-Logo prangte. Auf meine erstaunte Frage hin („sag mal, ist das nicht so ziemlich die einzige Partei, die du noch nie gewählt hast?“) meinte er etwas in der Art von „wenn kostenlose Flaschenöffner verteilt werden, nimmt man sich einen und stellt keine Fragen“. ;-)

Derselbe Bekannte ist im Moment dermaßen politik(er)verdrossen, daß er sogar beim Wahlleiter die Löschung seines Namens aus dem Wählerverzeichnis beantragen wollte. Darauf ließ sich der Wahlleiter natürlich nicht ein und versuchte ihm sogar einzureden, das ginge nicht, weil wir in Deutschland eine Wahlpflicht hätten. So ein Unfug. :-P

Bei einem Spaziergang mit einer Bekannten liefen uns eine Menge Bekannte dieser Bekannten über den Weg, und natürlich gab es immer ein Schwätzchen. Alle sagten, sie wollten die Linke wählen. Sogar eine Frau, die eigentlich im Ortsvorstand einer völlig anderen Partei sitzt. Meine Nachbarn dagegen vertraten mehr oder weniger geschlossen die Meinung: alles, bloß nicht links...

Meine These „Die letzten Reste sozialdemokratischen Geistes finden sich in Deutschland nicht bei der SPD, sondern bei der Linken, und die letzten Reste freisinnigen Geistes nicht bei der FDP, sondern bei den Piraten“ fand allerdings erstaunlich viel Anklang. Erstaunt war ich vor allem darüber, wie viele Leute „fortgeschrittenen Alters“ (sagen wir mal: 40+) die Piraten erstens kannten und zweitens nicht als „Filesharer-Partei“ abtaten. Welch eine Wohltat nach meinen Erfahrungen unmittelbar vor der Europawahl in Schweden, wo eine Kollegin doch tatsächlich der Meinung war, die Piraten, äh, ach ja, das ist diese Partei, die für den EU-Austritt ist, nicht wahr?

(Ich durfte ja, da ich keinen offiziellen Wohnsitz in Deutschland habe und „Saarländer“ keine Nationalität ist, bei der Landtagswahl nicht mitmachen; wohl aber bei der Bundestagswahl. Eigentlich wollte ich ja während der Deutschlandreise nur meine Eintragung ins Wählerverzeichnis beantragen, aber wie sich herausstellte, konnte man sich die Wahlunterlagen im Rathaus gleich aushändigen lassen und sogar, wenn man wollte, sofort wählen. Das habe ich dann auch getan. Wen ich gewählt habe, dürft ihr jetzt dreimal raten, obwohl zweimal auch genügen würde. <mit dem Zaunpfahl wink>)

Und die Wahlplakate, hmm... Ich habe ja damals im Jahr 2000 den Wahlkampf vor der finnischen Präsidentschaftswahl miterlebt. Damals trat einer der Kandidaten (nämlich Esko Aho) auf eine Weise auf, die eigentlich nur einen Schluß zuließ: der Mann steckte gerade sehr, sehr tief in der Midlife crisis. (Dieser Eindruck wurde mir später von meiner Therapeutin, die immerhin eher eine Expertin auf dem Gebiet ist als ich, bestätigt.) Und was mußte ich nun sehen? Der Spitzenkandidat der saarländischen SPD trat auf genau die gleiche Weise auf (hach, was bin ich so stoppelbärtig und dynamisch, und schaut, ich gehe in selbstgestrickten Pullovern joggen – OK, das war jetzt etwas übertrieben, aber ihr versteht, was ich meine)... <kopfschüttel>

Naja, mal sehen, wie die Bundestagswahl ausgeht.